Archiv der Kategorie: Seseke

100 Jahre Dammbruch an der Seseke

von Klaus Holzer

Wir haben uns daran gewöhnt, wir kennen es gar nicht mehr anders: es mag regnen, soviel es will, die Seseke bleibt in ihrem Bett. Seit 2008 ist sie renaturiert, und trotz der immensen Kosten von 500 Mill. Euro ist der Umbau jeden Pfennig wert. Kein Wasser mehr im Keller, viele Kilometer Wander- und Radwege.

Abb. 1: Der Dammbruch vom 2. Februar 1923

Das war aber nicht immer so. Am 2. Februar vor genau 100 Jahren schaffte es dieses Flüßchen, zu einem reißenden Strom zu werden, der alles mitriß, was sich ihm in den Weg stellte.  Aber der Reihe nach. 100 Jahre Dammbruch an der Seseke weiterlesen

Mühlentorweg mit angrenzendem Bereich

von Klaus Holzer

Straßen ermöglichen Mobilität, müssen also Orientierung geben. Daher erhalten sie Namen. Innerorts führt die Kirchstraße zur Kirche, die Schulstraße zur Schule, die Schlachthofstraße zum Schlachthof usw. Straßen in die Nachbarorte heißen Westicker ~, Unnaer ~, Werner ~, Lünener ~ oder Hammer Straße usw. Und für die große Orientierung tun es auch Himmelsrichtungen: Ost~, Nord~ und Weststraße. Es fällt aber auf, daß Kamen keine Südstraße hat, keine Südenmauer, kein Südtor1 hatte. Hier war der Bezugspunkt immer die schon seit dem 13. Jh. belegte Mühle – Mühlen waren so wichtig, daß ihre Zerstörung die härteste Strafe nach sich zog, gleich nach der Kirchenschändung, wie Eike von Repgow im Sachsenspiegel (Anf. 13. Jh.) darlegt –, der Kamen wohl auch das Kammrad in seinem Stadtwappen verdankt: die Mühlenstraße (vom Markt bis zur Maibrücke) führte durchs Mühlentor1 zum Hellweg.

Das hätte doch gereicht, oder? Jedoch gibt es heute auch einen Mühlentorweg in Kamen. Wie verhält es sich damit? Auch hier muß man wieder ein wenig ausholen, den Mühlentorweg in den richtigen Zusammenhang bringen.

Mühlentorweg, das klingt alt, doch trägt er diesen Namen erst seit dem 14. Okt. 1975, vorher hieß er Mühlenweg, doch gibt es auch diesen erst seit den 1930er Jahren. Immerhin ist der Bezug auf das Mühlentor oder auch die Mühle völlig gerechtfertigt, beginnt dieser Weg doch direkt an der Mühle, die bis 1973 an dieser Stelle stand, und gleich daneben stand bis 1820/22 das Mühlentor, dort, wo heute Klosterstraße und Ostenmauer zusammentreffen. 

Abb. 1: Eine frühe Darstellung des Mühlentors

Wirft man einmal einen Blick auf alte Kamener Stadtpläne, z.B. den Urkatasterplan von 1827, wird schnell klar, warum dieses Sträßchen nicht sehr alt sein kann. Kamen war seit dem 13. Jh. eine sehr stark befestigte Stadt. Vor allem im Süden dürfte sie so gut wie uneinnehmbar gewesen sein. Wer sich ihr aus dieser Richtung näherte, hatte zunächst die Seseke vor sich, dahinter einen Wall mit Palisaden und einen Stadtgraben und die ganze Kombination gleich noch einmal, gefolgt von der 16 Fuß (ca. 5 m) hohen und 3 Fuß (gut 90 cm) breiten Stadtmauer, zwischen der Maibrücke und der heutigen Koppelstraße, dem ältesten Teil der Stadt, der schon auf das 11. Jh. zurückgeht. Hier hatte man die Seseke schon früh begradigt, hier stand das erste Stadttor, das Langebrüggentor. Hier hatte man möglicherweise auch mit dem Bau der Stadtmauer angefangen, und dann wahrscheinlich in westlicher und östlicher Richtung gleichzeitig gebaut2.

Abb. 2: Teilstück des Urkatasters von 1827

Da die Kamener Ackerbürger waren, jeder Bürger also sein eigenes kleines Stückchen Land vor der Stadtmauer zur Eigenbewirtschaftung hatte, jeder sehr sparsam war, wurden natürlich selbst  die Streifen Land auf den Wällen nicht verschenkt, auch sie wurden bewirtschaftet, lagen sie doch direkt im Schatten der Mauer und waren somit durchaus geschützt.

So legte man hier schon früh einen Weg an, der von den Gerbern benutzt wurde. Gerben war ein sehr langwieriger Prozeß. Die Gerber brauchten viel, am besten fließendes, Wasser, um ihre Felle zu reinigen, zu „schrubben“. Ihr Schrubbhagen lag damals allerdings an einem Stadtgraben, der an zwei Stellen weiter westlich über Verbindungskanäle von der Seseke mit Wasser versorgt wurde. Fleisch–, Fett– und Haarreste mußten mit dem Scherdegen auf dem Scherbaum abgeschabt werden. Das stank nach faulem Fleisch und saurer Lohe. Daher mußte immer wieder mit viel Wasser gespült werden. Ein alter Gerberspruch dazu lautete:

In des Leders Werdegang

ist die Hauptsach’ der Gestank.

Kalk, Alaun, Mehl und Arsen 

machen’s gar recht weiß und schön. 

Eigelb, Pinkel, Hundeschiete 

geben ihm besond’re Güte.

Drum bleibt stets ein Hochgenuß 

auf den Handschuh zart ein Kuß.

Abb. 3: Ein Gerber bei der Arbeit

Das den Gerbern gehörende Lohhaus lag auf dem ersten stadtseitigen Wall, direkt hinter der Stadtmauer. Dort stand auch ein Brauhaus auf der Ecke Mühlenstraße/ Klosterstraße (wo heute das Gebäude der Volksbank an der Bahnhofstraße steht). Hoffentlich hatte dieses einen eigenen Brunnen mit sauberem Wasser!

Von der Maibrücke aus in östlicher Richtung gab es zwar zwischen der Seseke und der Stadtmauer nur einen Wall und einen Graben, doch war eine feindliche Eroberung auch hier ziemlich aussichtslos. Bis zum 30-jährigen Krieg blieb Kamen vermutlich unbehelligt, aber vielleicht war es inzwischen auch so arm geworden, daß niemand es erobern wollte.

Erst das 17. Jh. mit seinen neuartigen Kanonen ließ Mauer und Graben obsolet werden. Folglich litt die Stadt in diesem Krieg sehr unter Einquartierungen, Kontributionen und Plünderungen durch brandenburgische, hessische, pfalz-neuburgische, spanische und französische Truppen. Die Lage war so schlimm, daß die Stadt Kamen am Ende des Krieges fast kein Eigentum mehr besaß, weil alles verpfändet worden war, sonst wäre sie, weil sie keine Kontributionen zu zahlen in der Lage war, mit Sicherheit vollständig zerstört worden. Was dann allerdings ein großes Feuer im Jahre 1646 dennoch besorgte.

Abb. 4: Palisade

Es ist offenkundig, daß auf Stadtgräben und Wällen kein Weg, keine Straße verlaufen kann. Aber als diese Befestigungen nunmehr nutzlos geworden waren, verfielen sie. Die Gräben verschlammten, die Wälle verflachten, die Stadtmauer diente als stadtnaher Steinbruch. Also brach man ihre Reste zwischen 1820 und 1822 ab, „zur Verschönerung der Stadt“, wie der erste Kamener Stadtchronist, Friedrich Buschmann, 1841 schreibt, trug die Wälle ab und schüttete die Gräben zu, planierte den ganzen Streifen. So gewann man ein ansehnliches Stück Land hinzu, das man neu nutzen konnte. Nach einigen Jahren Ruhezeit, in denen die Verfüllungen sich setzen konnten (wer genau hinschaut, sieht noch heute, daß das Gelände außerhalb der Ostenmauer deutlich abfällt), begann man 1827 damit, es mit kleinen Handwerkerhäusern zu bebauen. Als Fundamente dienten die Stadtmauer und der dahinterliegende ehemalige Wall, so ließen sich nur traufenständige Häuser bauen, die genau dem Verlauf der ehemaligen Stadtmauer folgen.

Jetzt stand also auch der Platz für den neuen Weg zur Verfügung, wenngleich noch keine Notwendigkeit dafür gegeben war, war doch das Mersch, Überlaufgebiet des Flusses, völlig unbebaut. Hier legten nur die Leineweber ihr kostbares Produkt auf die Bleiche. Und die Seseke war ja hier nicht ein begradigter Flußlauf, sondern immer noch ein mäandrierender Flachlandfluß, der weite Gebiete regelmäßig mehrmals im Jahr überschwemmte. Erst als in den 1920er Jahren die Regulierung  und die damit einhergehende Begradigung der Seseke die Bändigung des Flusses verhießen, wurde auf dem Stück zwischen Mühle/Mühlenkolk im Westen und der südöstlichen Ecke der ehemaligen Stadtmauer bei der heutigen Ängelholmer Brücke Bauland ausgewiesen. Dort war bis Ende der 1920er Jahre eine Holzbrücke, dann bis 1969 eine Eisenbrücke mit Betonelementen, danach wurde die heutige Brücke errichtet, seit 2013 heißt sie Ängelholmer Brücke.

Dieses Bauland gehörte in die vom 1925 nach Kamen gekommenen Stadtbaurat Gustav Reich vorgenommene Überplanung der alten Stadt Kamen. Die ersten hier entstandenen Häuser waren das damalige Bürgermeisterhaus Hindenburgdamm2 Nr. 10, sowie die Häuser Hindenburgdamm Nr. 9 und Hindenburgdamm Nr. 7. Erst danach wurde auch der Mühlenweg bebaut. Das Haus Mühlenweg 1 entstand 1936. Der Zahnarzt Dr. Elger, der bisher in den Räumen des Hauses Bahnhofstraße 49 neben dem Photoladen Ernst Braß’ praktiziert hatte, ließ sich von Gustav Reich überzeugen, daß hier der ideale Bauplatz für sein Haus war. Wenige Jahre zuvor war die Seseke-Regulierung abgeschlossen worden, Hochwasser war damit nach damaligem Kenntnisstand nicht mehr zu erwarten. Dann entwickelte sich die Bebauung in Richtung Osten. Erst Mitte der 1950er Jahre entstanden die letzten Häuser am östlichen Ende, noch später die Fortsetzung des Mühlentorwegs über die Ostenallee hinaus3.

Abb. 5: Die alte Seseke mit der neuen Synagoge im Hintergrund (zwischen den Pappeln), 1937

Direkt nach der Begradigung pflanzte man am Sesekedamm die Ahornbäume, deren sechs durch den Sturm Friederike am 18. Januar 2018 irreparabel beschädigt und am 21. März 2018 gefällt wurden. Am Mühlenweg sieht man die Handschrift von Gustav Reich: an vielen Stellen, so auch hier, wurden schnellwachsende Pappeln gepflanzt (vgl. Abb. 5), die nach dem Krieg durch Buchen ersetzt wurden, und man muß sagen, die Bäume sind prächtig anzusehen, doch wissen die Anwohner auch ein anderes Lied zu singen. Zum einen werfen sie eine Menge Laub ab, was aber gravierender ist, ist der Licht– und Sonnenmangel ausgerechnet in den Sommermonaten, da die Baumreihe die ganze Südseite abdeckt. Doch läßt sich das vielleicht jetzt besser ertragen, da der Fluß revitalisiert ist. Er enthält nur noch Reinwasser statt stark durch Fäkalien verunreinigtes Schmutzwasser, das während sommerlicher Trockenperioden nicht mehr bestialisch stinkt. Seitdem hat die Wohnqualität deutlich zugenommen: ruhig, grün, stadtnah.

Abb. 6: Heutiger Baumbestand

KH

Bildquellen: Abb. 1 & 5: Stadtarchiv Kamen; Abb. 2: Archiv Klaus Holzer; Abb. 3: Balthasar-Behem-Kodex,  Krakau 1505; Abb. 4: Museumsdorf Düppel; Berlin-Zehlendorf; Abb. 6: Photo Klaus Holzer

Fußnoten:

1  Allerdings wird als Lagebeschreibung beim Verkauf einer Rente aus Ländereien am 2. Sept. 1395 ein Stück „landes … gelegen syn suden vor der porten voer Camene“ angegeben, also gewissermaßen vor dem „Südtor“. Das Mühlentor wird hingegen schon zum ersten Mal am 4. Dez. 1368 erwähnt. Die beiden dürften also identisch sein.

Alle Burgmannshöfe waren von Abgaben befreit, mußten dafür aber bestimmte Dienste erbringen. Das Mühlentor wurde vom Hanenhof, nach der Eigentümerfamilie von Hane genannt, geschützt, an den heute noch der Hanenpatt erinnert. Sein Burglehen in Kamen war „vor der mollenporten gelegen“, wie es 1499 in einer Urkunde heißt.

2 Heute Sesekedamm

3  Bis Ende der 1920er Jahre Holzbrücke, dann bis 1969 Eisenbrücke mit Betonelementen, danach die heutige Brücke, seit 2013 Ängelholmer Brücke.

Die heutige Ostenallee war damals ein unbefestigter Weg, hatte auf einer Seite einen ehemaligen Stadtgraben, auf der anderen wild wachsende Weißdornbüsche, mehrere Meter hoch. Wenn sie im Winter vom Schnee beladen heruntergedrückt wurden, erschien dieser Weg als Hohlweg. Er hatte keinen Namen, wurde aber inoffiziell von vielen Schwarzer Weg genannt.

Laut Ratsbeschluß vom 22.3.1956 wurde ein Verbindungsweg gebaut zwischen Ostenmauer, der Fußgängerbrücke über die Seseke (heute: Beeskower Brücke) und dem Sesekedamm zur Mozartstraße.

Der neue Literaturpfad des KKK

von Klaus Holzer

Trotz eher ungünstiger Auspizien wurde das Jahr 2018 für den KKK sehr erfolgreich. Das erste Projekt, das dieses Jahr zum Abschluß gebracht werden konnte, war die seit langem geplante Kulturroute West, jetzt K 10, die in einer Fahrrad-Rundtour um Methler zu neun historisch bedeutsamen Stellen führt. Die Eröffnung fand mit der ersten geführten Radtour am Samstag, dem 21. Juli 2018 statt.

Und jetzt konnte, pünktlich zur Eröffnung des Sesekeparks, mit kräftiger Unterstützung durch die Stadt Kamen, auch der Literaturpfad eingeweiht werden. Acht Stelen zwischen der Brücke von Montreuil-Juigné im Osten Kamens und der Bankgruppe kurz vor dem Eilater Weg im Westen machen den Flaneur mit Zitaten berühmter Persönlichkeiten zum Thema Freiheit bekannt.

Hier die Stationen im einzelnen:

Brücke von Montreuil-Juigné: 

Erich Fried, 1921 – 1988, österreichischer Lyriker, Essayist und Übersetzer: 

Wer sagt: hier herrscht Freiheit, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht.

An der Bank neben der Ängelholmer Brücke: Perikles, 5. Jh. vor Christus, griechischer Staatsmann:

Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.

Am Sesekedamm, am Eingang zur Beeskower Brücke: Mahatma Gandhi, 1869 – 1948, Rechtsanwalt, Widerstandskämpfer, Moralist: 

Freiheit war niemals gleichbedeutend mit dem Freibrief zur Willkür.

Neben der Maibrücke, am Übergang zum Sesekepark: Marion Gräfin Dönhoff, 1909 – 2002, deutsche Publizistin, Chefredakteurin „Die Zeit“: 

Wer keine Grenzen kennt, kennt keine Freiheit.

Im Sesekepark, neben dem ersten Abgang zum Fluß: Volkslied aus dem 18. Jh.: Die Gedanken sind frei

Im Sesekepark, neben dem zweiten Abgang zum Fluß: Benjamin Franklin, 1704 – 1790, amerikanischer Naturwissenschaftler, Erfinder und Staatsmann:

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

Im Sesekepark, vor der Hochstraße: Albert Camus, 1913 – 1960, französischer Schriftsteller und Philosoph: 

Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.

Neben der Bankgruppe kurz vor dem Eilater Weg: John F. Kennedy, 1917 – 1963, 35. Präsident der USA: 

Der beste Weg zum Fortschritt ist der Weg der Freiheit.

Wir hoffen, daß viele Spaziergänger diese Stelen wahrnehmen, sie lesen und sich für eine Weile mit den Gedanken zur Freiheit beschäftigen werden. Sie werden erstaunt sein, daß alle diese vor langer Zeit getätigten Aussagen immer noch, gerade in heutiger Zeit, hochaktuell sind. Erstaunlich, daß das auch und vor allem für das Volkslied aus dem 18. Jh. gilt: Das Denken läßt sich nicht verbieten: die Gedanken sind frei.

Geplant ist, die acht Tafeln in zweijährlichem Rhythmus gegen neue auszutauschen, mit einem neuen Thema und in neuer Gestalt.

KH

100 Jahre Sesekeumbau

von Klaus Holzer

Jetzt, im Jahre 2018, wird Kamens vorläufig letzte große städtebauliche Errungenschaft fertiggestellt, der Sesekepark, nach der Neugestaltung des Bahnhofsgeländes im Süden und der Errichtung des Kamen Quadrat im Norden, auf dem Areal des ehemaligen Vogelhofs (vgl. a.Art. Nordstraße), nachdem Karstadt und Hertie an dieser Stelle scheiterten. Beide Bereiche sind  funktionale Gebilde, Dienstleistungszentren, dienen der Mobilität mit dem ÖPNV und der Nahversorgung. Der Sesekepark ergänzt diese beiden Pole fast genau auf der Mitte zwischen ihnen und dient vor allem der Verschönerung der Stadt, der Erhöhung ihrer Lebensqualität, der Erholung ihrer Bürger. Besonders schön ist es, daß damit endlich unser Flüßchen, die Seseke, in die Gestaltung eingebunden wird. 2014 kam die nach einer Gesamtbauzeit von einem Vierteljahrhundert 1988 begonnene Renaturierung der Seseke zum Abschluß, rund 100 Jahre nach der ersten großen Umbauphase, die mit der Gründung der Seseke-Genossenschaft 1914 ihre nominellen Anfang nahm, und erst 1936 endgültig abgeschlossen wurde und damit ähnlich lange dauerte.

Vor 1900 war die Seseke ein mäandrierender Flachlandfluß, der vor allem durch seinen Fisch–, Krebs– und Muschelreichtum stark zur Ernährung der Kamener beitrug1, aber auch regelmäßig weite Teile der Stadt überschwemmte, Fluch und Segen zugleich war. Nicht zuletzt war ein Altarm der Seseke, wo er, von Heeren kommend, auf die Stadtmauer traf, etwa in Höhe der „Bleiche“ auf der Ostenallee, die erste Kamener Badeanstalt, betrieben von der Badegesellschaft „Flora“.

Abb. 1: Camens erste Badeanstalt

Abb. 2: Die Seseke, ein mäandrierender Flachlandfluß

Über die Überschwemmungen berichtet auch August Siegler2, im Jahre 1927: „Besonders groß war die Ueberschwemmung am 24. Februar 1890. An der jetzigen neuen Maibrücke und am Rathaus sind Marken angebracht, die den damaligen Höchststand des Wassers an den bezeichneten Stellen anzeigen. Der Strom von der Ostenmauer über die Bahnhofstraße nach der Klosterstraße war so stark, daß ein Mensch nur mit großer Mühe und Gefahr durch das Strombett gehen konnte. Die Feuerwehr hatte die ganze Nacht schwer gearbeitet, um Menschen, Tiere und Sachen zu retten. Aus dem Torwärterhäuschen, das da stand, wo jetzt das Geschäft von Thöling (Anm: heute Bahnhofstraße 53) ist, holten sie frühmorgens noch die alte Bewohnerin, Frau Rentsch, die in ihrem schwimmenden Bette lag. Den Leuten wurden Lebensmittel, die an Latten gebunden waren, in die obere Etage gereicht. Das Ganze bot einen schönen und doch furchtbar grausigen Anblick. Später wurde der Flutkanal nördlich von dem jetzigen Sparkassengebäude, der einen Teil des Wassers aus dem Mühlenkolk schneller weiterleiten sollte, angelegt. Diese Anlage genügte aber nicht, um weiter Ueberschwemmungen zu vermeiden.“ 

Abb. 3: Das Hochwasser vom 24. Februar (oder November) 1890

So weit, so gut, die Kamener waren Hochwasser gewöhnt, sie arrangierten sich mit dem Unvermeidlichen. Als dann aber 1873 der Bergbau in unsere Region kam, änderte sich alles. Im Oktober 1905 leiteten die Zechen Königsborn III/IV , Schacht Bönen, und Courl riesige Mengen Ammoniak in Seseke und Körne ein und verwandelten die beiden Flüßchen in tote Gewässer. Die Märkische Zeitung schrieb wiederholt zu diesem Thema: „Unsere Sesike ist jetzt ein totes Wasser geworden, kein lebendes Wesen, weder Fisch noch Frosch, noch sonst ein Tierchen macht sich darin bemerkbar. … Viele Zentner der schönsten Fische aller Art, sowie Millionen kleiner Fische, der jungen Brut, bedeckten die Oberfläche des Wassers und wurden von zahllosen Fischliebhabern aufgefangen und als gute Beute heimgeholt.“ Und abschließend, da die Zeche bei Bönen als Schuldige ausgemacht ist, die Mahnung: „Die Industrie begrüßen wir als lebenweckenden Faktor mit Freuden, aber sie darf nicht tötend und verderbenbringend werden.“ (Märkische Zeitung, mehrfach im Oktober/November 1905)

Jetzt war den Kamenern nicht nur ein Teil ihrer Nahrungsgrundlage entzogen, sondern jedes Hochwasser bescherte ihnen auch ernste gesundheitliche Gefahren. Da Kamen eine nur rudimentäre Kanalisation hatte, das meiste Abwasser aus den Häusern direkt in die Rinnen an den Straßenrändern und von dort in offene Gräben floß, bedeutete Hochwasser eben auch, daß jetzt Schmutzwasser in den Straßen stand, Fäkalien eingeschlossen. Es war also dringend erforderlich, die Sesekeregulierung und, damit einhergehend, Kamens Kanalisation anzugehen.

Im Winter 1913/14 wurde es konkret, die Sesekegenossenschaft gründete sich. Ihre erste Sitzung, die Gründungsversammlung, fand am 4. April 1914 in Dortmund statt. Wie wichtig das Vorhaben war, zeigt die Tatsache, daß diese Sitzung durch den Regierungspräsidenten Alfred von Bake eröffnet wurde. Er stellte fest, daß sich seit der Jahrhundertwende die Verhältnisse an der Seseke denen an der Emscher angeglichen hätten: die industriellen Anlagen führten zu Verschlammungen, die Zustände würden zunehmend unhaltbarer. Daher sei diese Zwangsgenossenschaft nötig. Auf dieser Versammlung wurde, abgesehen von einigen kleineren Satzungsänderungen, nur der Vorstand gewählt. Stellvertretender Vorsitzender wurde der Kamener Bergrat Fritz Funcke (ehem. Kamener Zechendirektor, 1925 zum ersten Ehrenbürger der Stadt Kamen ernannt) der sich in vielerlei Hinsicht um Kamen verdient gemacht hat und der älteren Kamenern noch als Besitzer und Bewohner der Funckenburg (heute Zollpost) in Erinnerung sein dürfte. 

Zum Schluß der Versammlung gab von Bake seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Genossenschaft einen „weisen Ausgleich“ zwischen den divergierenden Interessen von Industrie und Landwirtschaft finden möge3, die Industrie habe der Landwirtschaft viel verdorben, klage selber über hohe Kosten.

Anfang Juli 1914 wird die Satzung der Genossenschaft durch den preußischen Landwirtschaftsminister Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser genehmigt und tritt damit in Kraft. 

Kamen ist zu dieser Zeit noch das verträumte kleine Ackerbürgerstädtchen, das es jahrhundertelang gewesen war. Zwar war die zentrale Fließendwasserversorgung seit 1887/88 zunehmend  ausgebaut worden, doch gab es keine umfassende Entsorgung des Schmutzwassers, da es keine Kanalisation gab. Aus einer Anfrage im Kamener Volksfreund vom 19. September 1875 geht hervor, daß schon damals auf diese Übelstände aufmerksam gemacht wurde. Die Anfrage lautete: „Wann wird mit der Beseitigung unserer städtischen Schönheiten, den vielen Kloaken, endlich ein Anfang gemacht ? – Die Bewohner der Kloaken–Gegend.“ Das bedeutete im Klartext, daß es in Kamen Stellen gab, an denen vor Schmutz und Gestank kaum Leben möglich war. Die Kamener Zeitung vom 24. April 1915 nennt zwei besonders üble Beispiele: Kommt ein Gast per Bahn nach Kamen und geht die Bahnhofstraße entlang, so gibt Kamen hier die denkbar schlechteste Visitenkarte ab. Auf dem Stück zwischen der Bahn und der Stelle, wo heute das Rathaus steht, lagen „Fäkalien, Müll und allerlei Unrat zuhauf auf und neben der Straße, übler Gestank verpestete die Luft, der Anblick würde den Gast zur sofortigen Umkehr veranlassen. Und was sich dort an Krankheitskeimen tummele, sei nur zu vermuten“. Eine weitere, noch schlimmere Stelle macht er in der Nordenfeldmark aus, wo sie, „wenn man aus der Stadt kommt, bei der alten VfL-Turnhalle links abbiegt“.

Die ersten eher zaghaften Anfänge wurden ab 1892 gemacht, wenige Jahre, nachdem die ersten zentralen Wasseranschlüsse gelegt worden waren. Am 25. August 1925 begannen die endgültigen Kanalisationsarbeiten in Kamen. Die volle Wirkung der Kanalisation würde erst nach der Fertigstellung der Hausanschlüsse ganz gewürdigt werden können, war man sich sicher. Nach Abschluß der ersten Bauabschnitte waren die Schmutzgräben im Osten, Norden und Westen der Stadt verschwunden und  man glaubte, daß Überschwemmungen in Zukunft als nahezu ausgeschlossen zu betrachten seien. 

In Kamen eine Kanalisation zu bauen, ist jedoch eine schwierige Sache, weil die Stadt eben ist und unter häufigen Hochwassern leidet. Wegen dieser Umstände mußte der Boden der Seseke um ca. zweieinhalb Meter abgesenkt werden, sonst fließt das Wasser nicht mehr bzw. in die falsche Richtung. Der Artikel nennt das „recht erschwerte Abflußverhältnisse“. Doch wußte man in Kamen auch, daß es noch lange dauern würde, bis sich diese Verhältnisse verbesserten, da ja ein gutes halbes Jahr vorher der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, weswegen sich der Bau der Kanalisation deutlich verzögern würde. 

Dann jedoch hilft ausgerechnet diese Tatsache der Stadt unerwartet zu einem früheren Beginn der Arbeiten zur Regulierung der Seseke. Am 5. August 1915 berichtet die Kamener Zeitung: „Seit einigen Tagen ist mit den Vorarbeiten für die Sesekeregulierung in den Marschweiden (Anm: Im Mersch) begonnen worden; dieselben werden von einem 10 Mann starken Trupp französischer Kriegsgefangener ausgeführt, die man gleich hinter dem Staubecken der hiesigen Mühle bei den Erdbewegungsarbeiten beobachten kann.“

Abb. 4: Blick auf den Mühlenkolk, um 1900

Eine wesentliche Ursache für Kamens Hochwasserprobleme scheint der Mühlenkolk gewesen zu sein, der bis 1923 oberhalb der Maibrücke lag und ein Stück weit in die Bahnhofstraße (die vorher zwischen Markt und Maibrücke Mühlenstraße hieß) bis vor die heute noch an dieser Stelle liegende Einfahrt zur Mühle ragte.

In diesem Artikel fallen dem Leser sofort zwei Formulierungen besonders auf: die Bahnhofstraße wird hier ohne jede Ironie die „Hauptstraße von Kamen“ genannt. Die Eisenbahn war das wichtigste Verkehrsmittel der Zeit, die Verheißung der Moderne, der Zukunft. Und der „Abfluß des Mühlenkolks (Anm: also nicht die Seseke selber!) geht durch die Straßenbrücke von Kamen“. Hier wird verklausuliert deutlich, was wir Heutigen uns nicht mehr vorstellen können, nämlich, daß die Maibrücke bis 1923 die einzige Straßenbrücke Kamens war.4 

Das Thema Hochwasser bewegte unsere Vorfahren sehr stark. In diesem Artikel werden auch Auswirkungen benannt: „Die oberhalb (Anm.: des Mühlenkolks) liegenden Wiesen und Weiden liegen bis zu der Köln-Mindener Bahn vollständig im Rückstau dieses Mühlenstaues und werden bei höherem Wasser überflutet.“ Und indirekt bedeutet das natürlich auch, daß durch den Bau eben dieser Eisenbahn die Kamener Hochwässer verstärkt wurden, konnte das Wasser doch nur noch bis zu diesem Damm steigen, schwappte dann zurück in die Stadt. Und halb stolz, halb bedauernd, erwähnt der Autor dann auch noch, daß „die am Rathaus angebrachten Marken beweisen“, wie sehr die Stadt unter dem Hochwasser zu leiden hatte, „deren höchste [zeigt] den Wasserstand vom November 1890 [an] und liegt „etwa 70 Zentimeter über der Straßenfahrbahn“.

Abb. 5. Das Hochwasser von 1923, mit Dammbruch am Mühlenkolk

Das Hochwasserproblem war zumindest teilweise mit der Existenz des Mühlenstaus verbunden, weswegen schon vorher ein drei Meter breiter Flutkanal an der rechten Seite gemauert worden war. So konnte das Wasser reguliert abfließen, was aber offenkundig nicht reichte. Im Zuge der Neuregulierung der Seseke war man an dieser Stelle dabei, ein Stück neu auszubauen. Darum mußte die Seseke hier durch den ehemaligen Stadtgraben, den Umflutgraben, umgeleitet werden. Dazu wurde ein Damm errichtet. Es hatte tagelang geregnet, und der Umflutgraben konnte die Wassermassen nicht mehr fassen. Die Kamener hofften, der Damm werde halten, doch „do kennt dä Lüe user Sesike schlecht,“ sagte ein alter Kamenser . Und schon geschah es: „Da sprang gestern um die erste Mittagsstunde der Damm mit Krach und Getöse entzwei. Die Wassermassen setzten sich mit aller Kraft durch und nahmen die schweren Balken, die Bretter und Brettchen mit Leichtigkeit mit.“ (Kamener Zeitung, 3. Februar 1923)

So geschehen am 2. Februar 1923, direkt am Mühlenkolk, unterhalb der Mühle Ruckebier an der Maibrücke (merkwürdigerweise war genau das gleiche 125 Jahre vorher bei einem Umbau schon einmal geschehen). Endgültige Abhilfe versprach man sich von der kompletten Beseitigung des Mühlenkolks. Die aber würde es dem Müller unmöglich machen, weiterhin mit Wasserkraft zu mahlen. Warum hätte der Müller zustimmen sollen? Also wurden Pläne für dessen Enteignung „vorläufig und endgültig“ festgestellt.

Aber es war von Anfang an klar, daß man, um die Probleme mit der Seseke beheben zu können, sich nicht nur auf den Fluß beschränken konnte, schließlich wollten die Kamener endlich ihre Kanalisation haben, doch ist jeder Fluß mit anderen verbunden. Höhenverhältnisse zu verändern, bedeutet unweigerlich, alle anderen Gewässer ebenfalls verändern zu müssen. Im August 1920 meldete die Kamener Zeitung, daß auch die Körne zweieinhalb bis drei Meter tiefer gelegt werden solle, die ja bekanntlich in die Seseke fließt. Grund: Dortmund wollte ebenfalls eine Kanalisation bauen. Im Gefolge dieses Umbaus verlor dann auch die Berger Mühle ihre Existenzgrundlage, und im weiteren Verlauf der Seseke mußte auch noch die Hilsingsmühle in Methler aufgeben. Im Fall Berger Mühle scheint es rechtzeitig zu einer Einigung gekommen zu sein. Die Sesekegenossenschaft hatte die Staugerechtsame5 rechtzeitig erwerben können.

Abb. 6: Die Berger Mühle, kurz vor ihrem Abriß 1927

Eine weitere Folge der damaligen Sesekeregulierung war der Bau neuer Straßen (u.a. der Rathenaustraße, heute Koppelstraße) und von Wohnhäusern für Bergleute. Für alle diese Baumaßnahmen war damals eine landespolizeiliche Genehmigung erforderlich.

Ende Oktober 1920 war es dann endlich so weit: die Arbeiten zur Regulierung wurden begonnen. Die Kosten wurden je nach „Maßgabe der Interessenten“ verteilt. Für das Jahr 1920 entfielen auf

Kamen    8.644 Mark

Unna    8.869 Mark

Bergkamen    2.805 Mark

Westick    1.064 Mark

Methler    2.159 Mark

Zeche Grillo    17.000 Mark

Derweil schritten die Reparaturarbeiten an der Maibrücke, gut voran. Sobald der Beton trocken war und die nötige Festigkeit erlangt hatte, wurden die Straßenbahnschienen von der alten auf die neu fertiggestellte Seite verlegt, und die Kleinbahn  konnte wieder ungestört rollen.

Acht Jahre dauerte es, bis die bereits 1915 ins Auge gefaßten Arbeiten zur Entfernung des Mühlenkolks begonnen werden konnten. Kurz vor Weihnachten 1923 machte sich die Stadt Kamen selber ein Geschenk: „Im Mühlenkolk kann Schutt abgeladen werden. Diese Nachricht wird manchen Bürger, der nicht weiß, wohin mit der Asche, erfreuen. Wir glauben, daß der Kolk auf schnelle und für die Stadt billige Art zugeschüttet sein wird.“ (Kam. Zeit., 20. Dez. 1923) Schließlich hatte jeder Haushalt mindestens einen, meist mehrere Kohleöfen in der Wohnung. Und der Gedanke, daß Kohleasche später eine Altlast sein würde, war noch nicht in der Welt.

Abb. 7: Arbeiten an der Seseke-Regulierung, hier im Bereich der Koppelstraße

Im Januar 1928 ist man sich bei der Kamener Zeitung sicher, daß die Arbeiten an der Seseke noch im selben Jahr beendet werden können, weil 1927 der Umbau auf 400 Metern Länge in der Kamener Innenstadt abgeschlossen werden konnte. Das Jahr 1927 brachte so große Fortschritte, weil zweckmäßige neueste Technik angeschafft worden war: „Wasserhaltungsmaschinen6 und ein Vierseilgreifer“, mit deren Hilfe das notwendig gewordene neue Flußbett schneller als bloß mit Hacke und Schaufel gegraben werden konnte. Als besonders zeitaufwendig erwies sich das Gelände an der Fünfbogenbrücke, weil hier, wie auch an anderen Stellen im Verlauf der Seseke auf dem Kamener Stadtgebiet, Fließboden besondere Sorgfalt erforderte, doch zusätzlich die damals 80 Jahre alte Brücke wegen der Tieferlegung der Flußsohle auf neue Fundamente gesetzt werden mußte, natürlich bei laufendem Verkehr. Dazu mußten die alten Fundamente freigelegt und neu unterfüttert werden.

Abb. 8: An vielen Stellen mußte ein neues Flußbett gegraben werden.

Für den Transport der großen Materialmengen beim Bau (ca. 15.000 m3 Aushub, ähnlich große Mengen an Steinen, Beton und Hochofen– und Kesselschlacke für die Fundamente und das Mauerwerk des seitlichen Gerinnes, das bei Hochwasser den größten Teil des Drucks von den Brückenpfeilern nehmen sollte) wurde extra eine Schmalspurbahn vom Bahnhof Kamen dorthin verlegt. 

Besondere Erwähnung findet in dem Artikel der Kamener Zeitung vom 18. Januar 1928 die Tatsache, daß 1927 „90 Arbeiter aus Kamen und Umgebung eine lohnende Beschäftigung“ auf der Baustelle fanden, darunter „50 Erwerbslose (Notstandsarbeiter)“. 

Im selben Jahr 1927 wurden auch die Arbeiten an der Seseke in Heeren-Werve beendet, der Mühlbach wurde in Angriff genommen.

Die Seseke sollte bis zur Straße Werve – Flierich reguliert werden. Bis Ende 1930 wollte man fertig sein. Dazu gehörten auch die durch den neuen Verlauf des Flusses nötig gewordenen Brücken.

Abb. 9: Hier wurde die „Wandelhalle“ angelegt; im Hintergrund die Halle der Seilerei Overmann.

Das Unternehmen Sesekeregulierung war aus der Not geboren und verlangte allen Beteiligten viel ab, Geduld, Geld, Planung, Unbequemlichkeiten. Aber selbst für das Schöne hatte man etwas übrig, sah, daß das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden gehört, wenn das Erstere Akzeptanz finden soll. Man legte in Kamen eine Seseke-Promenade an, wieder als „Notstandsarbeit“, mit „schönen Anlagen, wie Ruhebänken, Wandelhalle, Kinderspielplätzen mit Sandkästen“. Dabei handelte es sich um das Stückchen Weg rechts der Seseke, zwischen Mai- und Vinckebrücke.7 

Abb. 10: Der Bau der „Bindebrücke“, später Vinckebrücke genannt.

Abb. 11: So sah die Vinckebrücke bis zu ihrem Abriß im Frühsommer 2018 aus.

Abb. 12: Die neue Vinckebrücke, am 15. August 2018 eingebaut

Auf diesem Weg gab es die nach allen Seiten offene Halle der Seilerei Overmann, die als „Wandelhalle“ integriert wurde. Diese Wandelhalle sollte auch Pausenhalle für die Kinder der nahen Schulen sein, in ihrer Nähe wurden Bänke für Spaziergänger aufgestellt. (Kamener Zeitung, 11. und 31. 8. 1931) Später, so sahen es die Pläne vor, sollte diese Promenade bis zur 1924 fertiggestellten Rathenaustraße weitergeführt werden, eine Anbindung schaffen zwischen der Stadt und den bereits vorhandenen Grünanlagen um den Koppelteich herum, wozu es aber offenbar nicht mehr kam.

Weiter flußabwärts war inzwischen ebenfalls viel passiert. Auch Lünen hatte mit Hochwasser zu kämpfen. Dort sorgte nicht nur die Seseke für Überschwemmungen, sondern, schlimmer noch, auch die Lippe. Ursprünglich mündete die Seseke westlich von Lünen in die Lippe, das bedeutete aber für die Stadt, daß man zwei eingedeichte Flüsse in der Stadtmitte hatte. Kurzerhand verlegte man die Sesekemündung nach Osten, bevor der Fluß die Stadtmitte durchfloß. So erreichte man, daß nur ein Deich zu bauen und zu erhalten war. Auch hier wird wieder betont, daß es sich um Notstandsarbeiten handelte und daß „die Erwerbslosen der Stadt […] Lünen je nach Bedarf zu den Arbeiten herangezogen [werden]. Im Durchschnitt finden etwa 150 Mann Beschäftigung.“ (Kamener Zeitung, 28.8.1931) Für diese Arbeiten zeichnet aber bereits der am 19. Januar 1926  gegründete Lippeverband verantwortlich, dem sich die Sesekegenossenschaft 1926 angeschlossen hatte. Es war nämlich allen Beteiligten sehr bald klar geworden, daß isoliertes Arbeiten an einem Fluß kein Problem lösen konnte, daher mußte im Flußbereich der Lippe, zu dem die Seseke gehört, einheitlich gehandelt werden8. 

Als diese Arbeiten 1936 zum Abschluß kamen, zählt der Autor eines Artikels in der Märkischen Zeitung vom 6. Januar 1936 auf, was alles an Widrigkeiten durch die Regulierung der Seseke behoben werden konnte. Jedes Hochwasser, ob durch Regen oder Schneeschmelze, „hinterließ auf Wiesen und Aeckern einen zähen, übelriechenden Schlamm“, der auch die Keller der angrenzenden Häuser verdreckte und „Herd für allerlei Krankheiten“ war. Die „großen, übelriechenden Sümpfe bei Schwansbell sind verschwunden, aus den versäuerten Wiesen, den verschlammten Aeckern ist fruchtbares Land geworden“. 

Abb. 13 & 14: „Der Bach geht jetzt in fast gerader Linie durch die Landschaft.“

Abschließend stellt der Autor fest – für uns Heutige, die möglichst intakte Natur lieben, kaum noch verständlich – daß das frühere Flüßchen mit seinen vielen Windungen und Krümmungen und seinen flachen Ufern als „Bach jetzt in fast gerader Linie durch die Landschaft“ geht. Das sei aber nur für „Romantiker, nicht aber für den Bauer (sic!)“ von Interesse, denn dieser habe nun fruchtbares Land gewonnen. Der Umbau im ganzen wird als „kulturelle Maßnahme“ gefeiert, der leider die Adener Mühle, die letzte im weiten Umkreise, zum Opfer gefallen sei. Auch sie mußte, nach der Böingschen Mühle, der Kamener Mühle, der Berger Mühle und der Hilsingsmühle ihren Wasserbetrieb einstellen. Einige dieser Müller versuchten noch, sich als Windmüller zu behaupten, was aber aussichtslos war (Berger Mühle), mit einem elektrischen Mahlwerk zu überleben, was aber nur noch eine begrenzte Zeitspanne den Weiterbetrieb ermöglichte (Hilsingsmühle; die Kamener Mühle Ruckebier hatte schon im Juli 1906 auf Turbinenbetrieb umgestellt). 

Abb. 15: Die Adener Mühle

Die Industrialisierung Kamens und seiner Umgebung, überwiegend durch den Bergbau repräsentiert, brachte Beschäftigung und Geld in die Stadt, führte aber zur Veränderung der vorher weitestgehend „natürlichen Kulturlandschaft“. 1905 vergifteten die Zechen Courl und Königsborn III/IV in Bönen Körne und Seske durch die Einleitung großer Mengen Ammoniak, was alles Leben dort vernichtete. Es folgten Bergsenkungen, Bäche veränderten ihren Lauf, in neu entstandenen Mulden sammelte sich Wasser, in dem sich angesichts der allgemeinen hygienischen Umstände schnell Krankheitskeime vermehrten, die zu verbreiteten gesundheitlichen Problemen der Bevölkerung führten. Da das stehende Wasser die Gefahr darstellte, war der Grundgedanke der Regulierung: Wenn das jetzt stehende Wasser schnell abfließt, löst sich das Problem auf. Was auch im ganzen recht gut funktionierte. In der Folge konnten alle Seseke-Anrainer ihre Kanalisation bauen, des weiteren ging 1942 das Körne-Klärwerk in Betrieb. Alles zusammen war der Fortschritt, und die Menschen wußten ihn zu schätzen.

Abb. 16: In der ersten Dezemberwoche 1960 ging die Kamener Badeanstalt baden

Doch waren damit beileibe nicht alle Probleme behoben. Das Abwasser aus der Kanalisation wurde trotz des neuen Klärwerks größtenteils ungeklärt in die Seseke geleitet. Der sommerliche Gestank ist noch allen älteren Kamenern in unguter Erinnerung. Und auch die Hochwassergefahr war entgegen der Hoffnung der Kamener nach der Regulierung in den 1920er Jahren nicht endgültig gebannt. So kam es immer wieder zu Hochwassern. In der ersten Dezemberwoche 1960 stand ganz Kamen erneut unter Wasser. Die Seseke überschwemmte wieder einmal die Stadt, bis zum Markt schwappten die Fäkalien, Gottseidank stark verdünnt. Glückauf- und Martin-Luther-Schule lagen in einer Senke und standen sofort unter Wasser. Das Gymnasium, der alte Bau an der Hammer Straße, heute Diesterwegschule, war eine ganze Woche lang geschlossen. Hunderte Tiere im Biologiekeller, vor allem aus der Mäusezucht von „Egon“ Seliger, ertranken, seine Fische flutschten durch den Gully, bis auf den dicken Wels, der nicht hindurchpaßte. Die Kohle, die wir alle zum Heizen der Wohnungen brauchten, mußte aus überfluteten Kellern geholt werden und war pitschnaß. Im Hof wurde sie aufgeschüttet, damit das Wasser ablaufen konnte. Wenn man denn überhaupt an sie herankam. In vielen Fällen mußte man nach ihr tauchen.

Abb. 17: Der Rückbau zum „natürlichen“ Fluß

Abb. 18 – 20: Die „neue“ Seseke

Inzwischen ist unser Flüßchen erneut umgebaut, renaturiert worden (heute wird der Begriff „revitalisiert“ vorgezogen, weil die neue Natur ohne Technik nicht funktioniert). Seit 2004 führt die Seseke nur noch Reinwasser (also Quellwasser, Regenwasser, Oberflächenwasser, geklärtes Wasser), ähnelt in ihrer Gestalt über weite Strecken wieder dem ursprünglichen Flachlandfluß. 

Abb. 21: 5. Januar 2012: Hochwasser an der Körnemündung …

Abb. 22: … und unterhalb der Maibrücke

Nach diesem Umbau der Seseke, ihrer Renaturierung, hat es schon mehrfach starken, lang anhaltenden Regenfall gegeben. Ihr Wasserstand war hoch, besonders an der Körnemündung entstand eine Art See, doch nirgends trat Wasser über die Ufer. Die Wasserbauingenieure haben ein 50-Jahr-Hochwasser in ihren Plänen berücksichtigt. Es scheint, als wäre die Zeit der Überschwemmungen der Kamener Innenstadt vorbei. Hochwasser- und Regenrückhaltebecken zusammen mit einem vergrößerten Flußquerschnitt erfüllen ihren Zweck. Der Mensch hat es endlich geschafft, das Hochwasser zu beherrschen.

Da lag es nahe, das innerstädtische Ufer den Kamenern zugänglich zu machen und städtebaulich mit dem Sesekepark einen Glanzpunkt zu setzen. Es ist zu hoffen, daß er den Bürgern noch lange noch viel Freude bereitet.

KH

Abb. 1,2,3,4,5,7,10: Stadtarchiv Kamen; Abb. 6: Frau Ursula Schulze Berge; Abb. 8: Frau Maria Volkermann; Abb. 9: Familie Späh; Abb. 16: Archiv Klaus Holzer; Abb. 11,12,13,14,17,21,22: Photos Klaus Holzer; Abb. 15: Stadtarchiv Bergkamen; Abb. 18,19,20: Dr. Götz Heinrich Loos

Fußnoten:1 Wie bedeutend die Fischerei in Kamen war, läßt sich daran erkennen, daß im Jahre 1702 die Verpachtung der Fischereirechte der Stadt Kamen etwa 4% ihres Haushalts einbrachte. Der Stadtchronist Friedrich Pröbsting schreibt in seinen Lebenserinnerungen, daß er in seiner Kindheit, in den 1830er Jahren, mit seinem Vater mehr als 100 Pfund Fische oder 100 – 200 Krebse an einem einzigen Tag aus der Seseke zog.

2 Ein prominenter Kamener, Lehrer, Rektor, nach dem Ersten Weltkrieg Beigeordneter der Stadt Kamen, Vorsteher des Arbeitsamtes, Ehrenmitglied der Sanitätskolonne und in vielen weiteren Ehrenämtern tätig, genauer Stadtchronist seiner Zeit, zuletzt leider auch glühender Bewunderer Hitlers.

Offenbar gibt es einen Dissens in der Frage des höchsten Hochwassers. Siegler gibt den 24. Feb. 1890 an, während die Kamener Zeitung vom 26. und 28. 8. 1915 den November 1890 angibt).

3 Das gab es auch bei der Eröffnung des Projekts „Über Wasser gehen“ im Rahmen des Kulturhauptstadtjahrs Ruhr 2010. Thomas Stricker ließ im Sesekeknie in Oberaden eine künstliche Insel im Fluß anlegen, als natürliche Skulptur. Ein Bergkamener Landwirt klagte dagegen, mit der Begründung, daß seine benachbarten Äcker durch den verringerten Querschnitt der Seseke umso leichter von Hochwasser betroffen sein würden.  

4 August Siegler schreibt: „Bei dem Neubau der Maibrücke zeigte es sich, wie notwendig es war, daß neue Wege über die Seseke geschaffen wurden. Im Jahre 1921 brach man zuerst die halbe alte Brücke ab, um den Neubau ohne Unterbrechung des Verkehrs, der gerade damals sehr stark war, durchzuführen. Jedoch konnte der stehengebliebene Rest der Brücke bei der äußerst starken Inanspruchnahme nicht standhalten, zumal die Stützmauer an der Westseite abgebrochen war, wodurch der restliche Brückenteil seinen festen Halt verloren hatte. Eines Tages versagte die Brücke ihren Dienst. Sie konnte ohne große Gefahr nicht mehr befahren werden. Zum Glück hatten die Bauleiter die Gefahr frühzeitig genug erkannt und sperrten die Brücke für Fuhrwerke. Es dauerte einige Tage, bis durch lange T-Eisen wieder eine feste Grundlage für einen Brückenweg geschaffen war.

Bis zur Fertigstellung dieser Notbrücke war die Stadt mit Fuhrwerken nur auf Umwegen zu erreichen und zu verlassen. Die schwache Holzbrücke im Osten der Stadt war dem Ansturm nicht gewachsen und mußte bald für Fuhrwerke polizeilich gesperrt werden, um weiteres Unheil zu verhüten. Aller Fuhrverkehr mußte nun über Westick oder Derne–Heeren geleitet werden, weil Kamen nur den einen Verkehrsweg hatte, der nun nicht benutzt werden konnte. Da seit Beginn des Brückenbaues fast ein Jahr vergangen war, wurde Herr Bergrat Funcke, der seit einiger Zeit in Wittbräucke wohnte, gebeten als Vorsitzender des Vorstandes der Seseke–Genossenschaft dahin zu wirken, daß Kamen bald aus dieser Verkehrsnot erlöst und die Fertigstellung der Brücke beschleunigt würde. Diese Bitte hatte den Erfolg, daß die Brücke nun in einigen Wochen fertiggestellt wurde. Das war im Juni 1921. Die überstandenen Schwierigkeiten haben aber doch ihren Nutzen geschaffen. Man hatte allgemein die Ansicht gewonnen, daß der bisherige Zustand nicht bestehen bleiben durfte, daß weitere Wege über die Seseke angelegt und zur Verwirklichung solcher Anlagen Opfer gebracht werden mußten.“ (Die Entwicklung der Stadt Kamen. Rückblick, Vergleich, Ausblick. Rückblick auf 50 Jahre – 1873 – 1926. Abgedruckt in: Zechenzeitung 1926/27) Mit dem Bau der neuen Maibrücke schuf man auch einen breiteren Durchfluß, um den Abfluß des Wassers nicht zu hemmen.

5 eine Gerechtsame ist ein Nutzungsrecht oder ein Privileg

6 Eine solche Maschine hält die Arbeitsgrube wasserfrei; das kann eine Pumpe sein, aber auch, ganz einfach, können Gräben und Rohrleitungen diesen Zweck erfüllen.

7 Während der Reparaturarbeiten an der Maibrücke im Jahre 1921 begriff man die Notwendigkeit, im Bereich Brücken für Entlastung zu sorgen. Selbst für Fußgänger war es schwierig geworden, das Flüßchen zu queren. Es war klar, daß Kamen zu wenige und zu wenig leistungsfähige Brücken besaß. Daher beschloß die Stadtverordnetenversammlung 1923 eine Brücke nur für Fußgänger zu errichten, als Verbindung der Bahnhofstraße über den Grünen Weg mit der Klosterstraße, „Bindebrücke“ genannt, bereits 1949 Vinckebrücke genannt. Diese neue Brücke war sofort ein voller Erfolg, wurde rege benutzt. Später erwies sich ihr Bau als sehr weitsichtig, diente sie doch dann auch als kürzeste Verbindung zwischen Innenstadt und Koppelteichgelände und ab 1927 zur Badeanstalt. Und gleich dahinter lag ja auch noch der Hemsack mit Deutschlands einziger 1000-Meter-Bahn.

8 Der erste deutsche Wasserwirtschaftsverband war die Emschergenossenschaft, gegr. am 14. Dezember 1899

Die Fünfbogenbrücke in Kamen

von Klaus Holzer

Fünf-Bogen-Brücke HA

Die Fünfbogenbrücke im Sommer 2013

Die Kamener Hochstraße ist gerade einmal 40 Jahre alt und bedarf bereits der Sanierung. Wer viel auf Autobahnen fährt, weiß längst, daß auch dort viele Brücken marode sind. Brücken die erst 40 oder 50 Jahre alt sind: die langen Bauwerke auf der 1973 in Betrieb gegangenen Sauerlandlinie, die Rheinbrücke bei Leverkusen und viele andere mehr. Viele von ihnen können saniert werden, manche müssen erneuert werden. Brücken, aus dem Ewigkeitsbaustoff Beton errichtet, nach kaum einem Menschenalter. Nicht so die Fünfbogenbrücke in Kamen.

Die Fünfbogenbrücke liegt an der Köln-Mindener Eisenbahn, deren Gesellschaft am 18.12.1843 gegründet wurde. Eigentümer waren Privatleute und der preußische Staat, der mit ca. 43% Mehrheitsaktionär war. Im Jahre 1845 wurde die endgültige Streckenführung festgelegt und mit den Bauarbeiten begonnen, und zwar von West nach Ost. Am 18.10.1845 fand der erste Spatenstich auf Kamener Gebiet statt. Der Bau der Fünfbogenbrücke begann schon im Herbst 1844. Dazu schreibt der erste Ortschronist Kamens, Pfarrer  Friedrich Buschmann: „Mit der größten Thätigkeit wurde unausgesetzt an der Cöln-Mindener Eisenbahn gearbeitet und im Sommer die ausgezeichnet schöne Brücke im Mersch, welche wohl gegen 80.000 Thaler gekostet hat, vollendet. Der ganze Bau ward so rasch gefördert, daß schon die Strecke zwischen Hamm und Camen und Dortmund am 13. December mit Pferden befahren werden konnte.“ Der Preis war sehr hoch, vor allem, weil die Seseke damals von einem breiten Sumpfstreifen gesäumt war, in den sehr viele Eichenstämme als Fundament getrieben werden mußten, damit sie nicht versank. Und eine solche Pfahlgründung war und ist eben sehr teuer. Wie gut gearbeitet wurde, läßt sich unschwer daran erkennen, daß diese Brücke seit nunmehr 170 Jahren in ihrer Konstruktion unverändert steht und damit eine der ältesten Eisenbahnbrücken Deutschlands ist.

Bei dieser Seseke-Brücke handelt es sich um eine Brücke aus Werkstein in einfacher, klassizistischer Form. Sie hat fünf auf Pfeilern sitzende Gewölbe, welche die Form eines Kreissegmentbogens haben. Es handelt sich dabei um drei Strompfeiler und zwei Vorfluter. Die Pfeiler zeigen halbrunde Vorlagen, die mit einem Wulstprofil aus anderem Steinmaterial abgeschlossen sind. Die ursprüngliche Brücke ist fast unverändert erhalten geblieben.

Am 19.8.1846 schrieb der HA: „ Der Sesekebrücke hierselbst, in fünf Bogen kolossal und wunderschön erbaut, wurde heute der Schlußstein eingefügt, zu welcher Feier sich die Herren Beamten der Bahn von Hamm, Dortmund und Camen hier eingefunden. Nach der Feier, wobei einige passende und erhebende Ansprachen gehalten,, zog der Festzug mit klingendem Spiel durch die Stadt zum Grevelschen Gasthof (Anm. KH: den älteren Kamenern als „Hotel Bergheim“ Am Geist bekannt) und zur Witwe Möllenhoff (Anm. KH: eine damals bekannte Gaststätte mit Saal in der Bahnhofstraße, an der Ecke Klosterstraße), wo man sich eine Zeitlang heiter und hoffnungsvoll über die glückliche Zukunft unterhielt, die uns die baldige Eröffnung unserer großartigen Eisenbahn bringen wird. Ein Ball bei Herrn Menne am Ziegenmarkt (Anm. KH: heute Teil der Schulstraße) beschloß die Feier.“

Am 24.4.1847 fuhr die erste Lokomotive über Kamen, am 2. Mai der erste Personenzug bis Hamm, am 8. Mai war die erste Regierungsprobefahrt, am 15. Mai waren die offiziellen Bahnhofseinweihungen in Kamen und Hamm (das heute denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude in Kamen entstand erst Anfang der 1850er Jahre).

Noch einmal Friedrich Buschmann: „Wenn es auch unmöglich ist, die späteren muthmaßlichen Folgen der hier vorbeigehenden Eisenbahn auf den Wohlstand der Bürgerschaft anzudeuten, so läßt es sich doch unmöglich verkennen, daß die hiesige Stadt jetzt gleichsam in dem Bahnhofe einen Hafen an einem der bedeutsamsten Ströme Europas besitzt, dadurch in die directeste und schnellste Berührung mit den Städten im Nordosten und Nordwesten Deutschlands gebracht ist und es jetzt leicht sein muß, Quellen der Betriebsamkeit aufzufinden. Wahrscheinlich wird in späteren Tagen um den Bahnhof ein neues Camen entstehen.“

Daß sich die im HA und bei Buschmann ausgedrückten großen Hoffnungen für die Entwicklung der Stadt Kamen nicht recht erfüllten, steht auf einem anderen Blatt. Die Fünfbogenbrücke ist Zeugnis großartiger Planung und Brückenbaukunst, zu recht unter Denkmalschutz gestellt. Sie hat 1847 die erste Dampflok erlebt, die D-Züge, die den Fernverkehr immer schneller machten, Exoten, wie den Schienen-Zepp, der am 28.6.1931 auf einer Werbefahrt durch Deutschland auch durch Kamen fuhr. Er war eine Propellerlokomotive, die einen Weltrekord von 240 kmh aufstellte. Erst 24 Jahre später wurde dieser Rekord übertroffen. Und schon 1930 schaffte er die Strecke von Hamburg nach Berlin in 98 Minuten, heute ist der ICE 2 Minuten (!) schneller. Jeder Typ Eisenbahn fuhr über die Fünfbogenbrücke, seit 170 Jahren.

Und diese Brücke spielte in den 50er Jahren auch eine erhebliche Rolle für frisch Verliebte vorzugsweise zwischen 15 und 20 Jahren. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, aber zu jener Zeit gab es im Mersch nur die heute alte, damals neue Post und die Villen am Sesekedamm. Sonst stand dort kein Haus. Alles Wiesen, Kühe darauf, in den Bächen und Gräben Molche, Stichlinge und Karauschen, außer natürlich in der Seseke. Einsamkeit, lauschige Plätzchen, das richtige für Verliebte. Dort ging man hin zum Poussieren, wie das damals hieß. Deswegen war es dort manchmal auch nicht so einsam, wie es sich alle gewünscht hätten.

Nichts konnte die Fünfbogenbrücke erschüttern. Bis der moderne Lärmschutz kam.

Heute ist das Denkmal zerstört.

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Die Fünfbogenbrücke im Sommer 2014

KH

Otto Holz’ Mahnmal am Sesekedamm

von Klaus Holzer

Seit geraumer Zeit läuft die öffentliche Diskussion, wie das Sesekeufer in der Innenstadt in Zukunft aussehen soll. Es gibt die Gegner, die darin nur Geldverschwendung sehen können, und es gibt die vehementen Befürworter, die darin die Chance erkennen, Kamen zukunftsfähig zu machen, was angesichts der Herausforderungen durch die demographische Entwicklung dringend nötig erscheint.

Was bisher noch gar nicht zur Sprache gekommen ist, betrifft alles das, was sich in dem Bereich bereits befindet: der Baum, den „DIE KAMENER JUGENDLICHEN [alle?] FÜR FRIEDEN UND VÖLKERVERSTÄNDIGUNG – NIE WIEDER KRIEG“ am 1. September 1989 gepflanzt haben, der Kampmannsche Bleier und das Mahnmal von Otto Holz. Was kann, was soll, was wird mit ihnen geschehen?

Am leichtesten fällt die Entscheidung über den Baum. Der läßt sich integrieren, gleichgültig, wie die Gestaltung im einzelnen aussehen wird. Einen gewissen Aufwand wird Kampmanns Bleier erfordern. Er wird wohl einen neuen Standort finden müssen, kann dann aber wieder in ihm angemessener Weise auf einen senkrechten Pfosten zu stehen kommen, wodurch die gegenwärtig unbefriedigende Präsentation korrigiert werden kann.

Aus der Zwischenablage

Lothar Kampmann, Kömscher Bleier (1968/2013)

Photo: Klaus Holzer

Otto Holz‘ Mahnmal von 1953 stellt ein größeres Problem dar. Das fängt schon damit an, daß offenbar viele, vor allem jüngere, Kamener gar nicht wissen, woran es erinnern soll. Auch wenn für manche der Gedanke naheliegt – es steht nicht für die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 in Ostberlin, sondern erinnert an diejenigen Deutschen, die zu jener Zeit noch in Kriegsgefangenschaft waren. Im Verlaufe des Jahres 1953 entwickelte sich in der bundesdeutschen Bevölkerung immer stärker das Gefühl, daß es im neunten Jahr nach Kriegsende nicht immer noch Kriegs– und Zivilgefangene in Ländern der Alliierten geben dürfe, vor allem in der UdSSR, wo, wie der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer am 2. Oktober erklärte, Männer und Frauen „immer noch der Stacheldraht umschließe und die sowjetische Posten bewachen“. „Die meisten von ihnen waren unter den groteskesten Vorwänden in den Jahren 1950 und 1951 zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt und zu Kriegsverbrechern gestempelt worden.“ (WR, 2.10.1953)

Daher fand vom 17. – 25. Oktober 1953 eine bundesweit begangene Kriegsgefangenen-Gedenkwoche statt, die offenbar im ganzen Land große Zustimmung erfuhr. In dem bundesweit veröffentlichten Appell hieß es: „Wir selber wollen aus dieser Hoffnung heraus nicht müde werden, vor der Weltöffentlichkeit zu mahnen, zu bitten und zu flehen und zum Herrgott zu beten, daß, wenn manche Machthaber der Welt nicht helfen können und andere gar wider uns und unsere Gefangenen sind, er sich unser erbarmt.“

Schon im Sommer 1953 hatte der Rat der Stadt Kamen auf Antrag des Heimkehrer-Ortsverbandes den Beschluß gefaßt, „für alle noch in den alliierten Gewahrsamsländern zurückgehaltenen Kriegs– und Zivilgefangenen“ ein Mahnmal zu bauen und auch gleich den Auftrag dazu erteilt. Der erste Spatenstich erfolgte am 2. Oktober durch Erich Reichert, einen Kamener, der gerade erst, im September 53, aus sowjetischer Gefangenschaft heimgekehrt war. Wenige Tage später, am 13. Oktober, kam auch der Südkamener Paul Kollin zurück, Bruder des bekannten Kamener CDU-Politikers Ewald Kollin. Zur gleichen Zeit verkündete die Stadt Kamen, daß alle Spätheimkehrer zusätzlich zu der von der Bundesrepublik gezahlten Wiedereingliederungshilfe auch von ihrer Heimatstadt DM 250,– in bar erhalten sollten.

Mit dem Entwurf für dieses Mahnmal wurde Otto Holz beauftragt, Kunstlehrer am Städtischen Neusprachlichen Gymnasium Kamen. Dieser war ein Künstler, der radikal mit der traditionellen Kunst gebrochen hatte. Pathos und die Glorifizierung von Heldentum waren ihm fremd. Daher entsetzte sein Kunstwerk (ja, in diese Kategorie gehört das Mahnmal) viele Kamener, die etwas Traditionelles erwartet hatten, etwa im Stile des Denkmals an der Waldstraße neben Grundhöfer in Overberge.

Ohne Titel

 

Otto Holz, 11. Juni 1907 – 15. April 1988

  Photo: Archiv Klaus Holzer

Die Einweihung des Mahnmals am 25. Oktober 1953 zeigte, in welchem Maße ganz Kamen Anteil nahm. „Rund 4000 Teilnehmer bevölkerten den Sesekedamm und die Bahnhofstraße zur Zeit der Feierstunde“, schreibt die WR am einen Tag später. Der Posaunenchor spielte, Sprecher verschiedener Vereine und Verbände appellierten an die „Gewahrsamsmächte“ und das „Weltgewissen“, die Gefangenen aus ihrer Rolle als „politisches Wechselgeld“ zu entlassen.

Pfarrer Busch und Pfarrer Rawe schlossen sich an, Erich Reichelt rief dazu auf, „die Brücke zwischen Heimat und Gefangenen nicht zusammenbrechen zu lassen“. Dann nahm Bürgermeister Rissel „das Mahnmal mit einem Appell an die Friedensbereitschaft der Welt in die Obhut der Stadt“. (WR, 26.Okt.1953)

Mahnmal Holz Front Jan 2013

 

Otto Holz, Mahnmal „Vergesst uns nicht”, 1953

Photo: Klaus Holzer

Einweihung Mahnmal Holz 53

 

Einweihung des Mahnmals von Otto Holz am 25. Oktober 1953

Photo: Stadtarchiv Kamen

Denk– und Mahnmale haben die Funktion, die Menschen an Dinge zu erinnern, die einschneidende Ereignisse in ihrer und der Geschichte ihrer Nation darstellen, sie vor dem Vergessen zu bewahren. Ihre Form verrät viel über den Geist ihrer jeweiligen Entstehungszeit und bewahrt so, über den historischen Anlaß hinaus, auch  das künstlerische Ausdrucksvermögen ihrer Epoche. Das gilt in ganz besonderem Maße für Otto Holz‘ Mahnmal am Sesekedamm. Es verdient einen besonderen, einen würdigen Platz am neugestalteten Sesekeufer. Aber vielleicht ist alles auch ganz einfach, scheint es doch so, als ob Baum und Mahnmal eine Einheit bilden. Hoffen wir, daß Kamens Rat eine weise Entscheidung fällt.

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Das Ensemble aus Mahnmal und Friedenslinde

Photo: Klaus Holzer

KH

Anregungen zur Umgestaltung des Seseke-Ufers

Anregungen des Kultur Kreises Kamen zur  Umgestaltung des innerstädtischen Seseke – Ufers

von Thea Holzer

Die Stadtgesellschaft ändert sich: In den kommenden Jahren wird Kamens Einwohnerzahl sinken und das Durchschnittsalter steigen. Diese Veränderung ebenso wie die Einsicht, dass die „öffentliche Stadt“ nachhaltig gestaltet werden muss, wird von Fachleuten (vgl. Quellen) vielerorts beschrieben. Nicht als Luxus, sondern als Daseinsvorsorge für Stadtbewohner, die auf grünen Freiflächen Ausgleich für Stadtlärm, stetig zunehmenden Verkehr und fehlende Natur suchen, wird nach passenden Lösungen gesucht.

Bürger-Umfragen zu deren Grundbedürfnissen haben gezeigt:

Es sind im Wesentlichen

1) Regeneration und Erholung,

2) Kontakt und Kommunikation,

3) Bewegung an frischer Luft,

4) Natur erleben.

In der heutigen „Erlebnisgesellschaft“ muss eine bedürfnisgerechte „grüne Oase in der Stadtmitte“  darin bestehen, dass man sich spontan entscheiden kann, wie man sich betätigen will; nachhaltiger Erlebnisraum muss also Vielfalt anbieten.

Wenn man das zu gestaltende Sesekeufer und seine Umgebung betrachtet, dann ist Punkt  3) „Bewegung an frischer Luft“ für alle Altersgruppen bereits bestens gelöst:

Wir haben einen Beachvolleyball-Platz am Eilater Weg, einen Bolzplatz neben der Hochstraße, einen großen Kinder-Spielplatz zwischen den beiden Kirchen und im Postpark eine gut besuchte Half Pipe und einen weiteren Kinder-Spielplatz. Im Postpark finden wir für ältere Kamener auch einen längst nicht ausgelasteten Boule-Platz und nebenan den Minigolf-Platz, einen Freizeit-Spaß für die ganze Familie. Sollte das Freibad weiterhin bestehen bleiben, hat Kamen auch ein zentrales Schwimmbad.

Deutliche Wegmarkierungen sollten von Ort zu Ort leiten, und man müsste an mehreren Stellen sichere Straßen-Übergänge schaffen.

Zum Erfüllen der weiteren Bedürfnisse  müsste der Fuß/-Radweg zum Stillen Weg bis zum „Unort“ unter der Hochstraße schon ab dem Kreisel an der Maibrücke durch eine Hecke von der Hochstraßen-Auffahrt getrennt werden, so dass der gesamte Bereich Maibrücke /Stiller Weg geschützt und sicher begehbar ist.

Photo 1

Der gesamte Weg „Reeperbahn“(  Sonnenseite) müsste durch Anpflanzungen und Verschönerungen der Haus-/Garagenseiten (Stauden/ Baumgruppen) aufgewertet werden, die Sitzgruppe dort müsste man durch weitere Bänke und/oder  Stühle vergrößern, und mit einer ansprechenden Wegführung entlang der Seseke und über die Vinckebrücke  hätte man bereits einen schönen kleinen Rundweg.

Photo 2

Die Hecken an der „Reeperbahn“, jetzt schon Zuhause für viele Vögel, müssten gründlich gepflegt und mit Nistkästen bestückt werden.

Ein Insektenhotel an passender Stelle könnte für den nahen Kindergarten und die Grundschule nebenan lehrreich sein, und ganz einfach lassen sich ein paar Findlinge mit in die Landschaft legen zum darauf Herumklettern .

Photo 3

Im Ruhrgebiet werden immer mehr „urbane Oasen“ gefördert. So könnte auch hier ein Teil der Schrebergärten am Stillen Weg umgewandelt werden zu einem größeren Gemeinschaftsgarten, in dem Kamener gemeinsam gärtnern und ihre Erfahrungen austauschen könnten . Denkbar wäre auch die Anregung zur Patenschaft für einzelne Park-Abschnitte durch das Jugendheim (Postpark), die Josefschule (Schrebergarten) und den Kindergarten (Insektenhotel).

Photo 4

Der gesamte Grün-Bereich im Postpark über das Amtsgericht, ebenso das Sesekeufer am Sesekedamm, bis jetzt allesamt kahle Rasenflächen und die gesamte neu zu gestaltende Seseke-Umgebung an der Vinckbrücke müssten mit Stauden- und Wildblumen-Rabatten sowie einzelnen früh- und spätblühenden heimischen Bäumen bepflanzt und dadurch lebendig gestaltet werden,  so dass sich Besucher dort wohlfühlen können.

Bei der Planung des Seseke-Geländes ist bisher nirgendwo eine öffentliche Toilette vorgesehen.  Vielleicht ließe sich tatsächlich ein kleines Café verwirklichen (Pavillon Maibrücke?), das zusätzlich zu Entspannung und Kommunikation beitragen würde.

Der Bereich  zwischen Partnerschaftsbrücke und Maibrücke ist relativ klein , es müsste also die großzügige und abwechslungsreiche Parkplanung ab Maibrücke bis zur Hochstraßenquerung am Stillen Weg besondere Beachtung finden.

Photo 5

Da im weiteren Verlauf des Seseke-Ufers von der Maibrücke bis zur 5-Bogen-Brücke an der Uferpromenade nicht viel verändert werden kann, erinnern wir noch einmal an die Literaturpromenade, die wir an anderer Stelle schon einmal vorgeschlagen haben. Zusätzlich könnte aber auch an der Promenade mit Büschen, Stauden und Blumen für mehr Abwechslung gesorgt werden .

Photo 6

Dass es in der „öffentlichen Stadt“ immer wieder zu Beschädigungen, Vandalismus, Müll, Verunreinigung durch Hunde, Drogen- und Trinkerecken kommt, führt leider dazu, dass die Anlagen gemieden werden. Wo sie aber lieblos oder vernachlässigt angelegt sind, wo nichts anspricht, wird erst recht verschmutzt und zerstört.

Zu einem erfolgversprechenden, nachhaltigen Sesekeufer-Konzept müsste deshalb auf jeden Fall gehören:

Statt langweiliger Grünflächen möglichst viel Abwechslung.

Ansprechende, sichere Flächen und Wege (Wege einsehbar, gute Beleuchtung).

Leinenpflicht für Hunde.

Aufstellen von Parkregeln zur Beachtung.

Ständige Parkpflege.

Der Kultur Kreis Kamen bittet, die Möglichkeit der Umsetzung seiner Anregungen zu prüfen.

April 2015

Quellen:

„Urbane Oasen im Ruhrgebiet“ – Artikel in der WR vom 25.3. 2015

„Nachhaltige Stadtparks mit neuen Erlebnisqualitäten“, Konzepte und Wirkungen,

(Antje Flade – Institut Wohnen und Umwelt), Darmstadt, September 2004

„Nachhaltige Stadtparks“ – Konzept und Praxisbeispiele,

Lein-Kottmeier/Ostmann/Vogt (Hrsg.), RWFV Fachverlag, 2008

Leitfaden zur naturnahen Pflege und Entwicklung öffentlicher Grünanlagen,

FHH – Umweltbehörde, Hamburg, 25.1.2000

Alle Fotos: TH

TH

 

 

Die Neugestaltung des Seseke-Ufers

von Klaus Holzer

In Kamen steht eine wesentliche städtebauliche Veränderung der Innenstadt an. Nach der baulichen Veränderung des städtischen Nordpols (Vogelhof/Hertie) und des Südpols (Bahnhof) wird jetzt sozusagen auch der Äquator in Angriff genommen. Städtebaulich ist die Umgestaltung des Seseke-Ufers von großer Bedeutung, darf sich doch keine Stadt, die so glücklich, an einem Fluß zu liegen, diese Chance auf eine innerstädtische Promenade entgehen lassen.

Im April wird die Stadt die von einem Fachbüro entwickelten Umbaupläne der Öffentlichkeit vorlegen und sie über Einzelheiten der Neugestaltung informieren. Diese Pläne stützen sich auf Ideen, die in einem Wettbewerb im Jahre 2013 entstanden. Jetzt geht es also um die konkrete Umsetzung.

Schon 2013 brachte sich der KKK mit schriftlich formulierten Vorschlägen im Vorfeld des Wettbewerbs ein, u.a. mit der Idee einer Literaturpromenade. Jetzt hat der KKK diese Idee konkretisiert und am 23. Februar d.J. Bürgermeister Hermann Hupe mit der Bitte zur Kenntnis gebracht, sie ebenfalls im Rahmen der öffentlichen Präsentation als möglichen Bestandteil der Umgestaltung vorzustellen.

Hier ist unser Vorschlag (Design: Reimund Kasper):

Entwurf 1 a

Vorschlag 1: Einfache Tafel in kräftiger Farbe, einmal gefaltet, Höhe 180 cm, Breite 45 oder 50 cm

Entwurf 1 b

Vorschlag 2 (als Alternative gedacht): Die Tafel wird ergänzt durch ein „Fenster zur Welt”, das einen sich ständig ändernden Blick auf den Fluß und seine Umgebung erlaubt (vgl. auf das Kunstwerk „Jetzt und der Fluß” an der Braunebach-Mündung). Ansonsten gleiche Ausführung.

Das dahinter stehende Konzept:

Der Kultur Kreis Kamen schlägt vor, bei der Neugestaltung des Sesekeufers in der Kamener Innenstadt in die Planung folgenden Vorschlag aufzunehmen:

A. Anlegen einer Literaturpromenade:

  1. Es werden zwischen der Fünfbogenbrücke und der Vinckebrücke (Eilater Weg) acht Stelen aufgestellt. Die Maße der Stelen: Höhe 180 cm, Breite 45 cm.
  2. Auf den acht Stelen werden Folien/AluDibond-Tafeln für wechselnde Exponate befestigt. Die werden mit einer auswechselbaren Folie gegen Vandalismusschaden überzogen.
  3. Unter „Exponate“ verstehen wir ausgesuchte Texte zu Dichter–, Philosophen– und anderen Jubiläen oder thematisch orientierte Texte. Mögliche Themen: Freude, Glück, Frieden, Wasser, Jugend, Alter usw. Hier kommen Aussagen bekannter Personen der Weltgeschichte wie auch von Schriftstellern usw. in Frage.
  4. Die Zahl der Stelen orientiert sich an der Zahl der Kamener Partnerstädte, die so in Aktionen mit je einem Inhalt in der jeweiligen Landessprache eingebunden werden könnten.
  5. Die Auswahl der Inhalte kann in Kooperation z.B. mit den weiterführenden Schulen in Kamen vorgenommen werden.

B. Wirkung:

  1. Die durch ihre Größe und Farbgebung auffallenden Stelen geben dem Flußufer ein gestalterisches Element.
  2. Sie betonen den Promenadencharakter des Flußufers und laden dazu ein, zu „promenieren“.
  3. Die Spaziergänger werden stehenbleiben und sich unterhalten und gleichzeitig angeregt fühlen.
  4. Ein relativ häufiger Wechsel der Inhalte vermeidet Langeweile. An kommenden Inhalten kann Interesse geweckt werden, das durch entsprechende Presseberichterstattung gefüttert werden kann.
  5. Durch die Orientierung der Zahl der Stelen an der Zahl der Kamener Partnerstädte können gemeinsame Aktionen mit hohem Symbolcharakter vorgenommen werden (s.a.o., A 4).
  6. Durch die Beteiligung der Schulen und einer möglichst großen Zahl von Schülern wird eine Vielzahl von Mitwirkenden eingebunden.
  7. Daraus wird ein Gefühl der Mitverantwortung für diese Stelen geweckt werden, was im günstigsten Fall mithilft, Vandalismus zu begrenzen oder sogar zu vermeiden.
  8. Die mitwirkenden Schüler und ihre Familien werden vielleicht ein stärkeres Gefühl für Kamen, ihre Heimatstadt, erfahren.
  9. Nach der Umgestaltung des Bahnhofsumfeldes im Süden der Stadt (Verkehr) und des ehemaligen Vogelhofs (Hertiegelände/Handel) im Norden entwickelt Kamen in der Stadtmitte einen Anziehungspunkt mit Unterhaltungs– und Bildungswert. Die attraktiv gestalteten Stelen werden ein Schmuck für die Promenade werden.
  10. Es wird sich eine attraktive Flußpromenade entwickeln, die möglicherweise Besucher aus der näheren Umgebung anziehen wird. (Touristik)
  11. Es ist zu empfehlen, die Tafeln bei Dunkelheit anzuleuchten, so würde das auch bei Nacht den Promenadencharakter verstärken bei gleichzeitiger Erhöhung der Sicherheit. Durch raffinierte Beleuchtung würde eine völlig neue künstlerische Dimension eröffnet.
  12. Solche Stelen könnten sukzessive auch auf anderen Flächen im Stadtgebiet, z.B. in Parks, aufgestellt werden.

C. Kosten und laufende Maßnahmen:

Die Kosten pro Stele belaufen sich auf ca. € 500,00 für die einfachere Version, ca. 650,00 für die Version mit dem „Fenster zur Welt“, beide inkl. Pulverbeschichtung

Die Kosten je bedruckter Folie belaufen sich auf ca. € 80,00

Die Kosten für eine bedruckte AluDibond-Tafel belaufen sich ebenfalls auf ca. € 80,00

Das Aufstellen der Stelen kann

  1. im Zuge der Baumaßnahmen der Umgestaltung von der Baufirma mit vorgenommen werden
  2. vom städtischen Baubetriebshof kostengünstig vorgenommen werden
  3. eventuell von Bautrupps des Lippeverbandes ausgeführt werden, da die Stelen vermutlich am besten hinter den vorhandenen Zäunen auf dem Ufergelände aufzustellen sind. Dort bilden sie keine Hindernisse und sind zusätzlich geschützt
  4. die Aufstellungsorte bzw. die Frequenz der Tafeln wird in Abstimmung mit der Stadt Kamen bzw. dem LV vorgenommen

Das Wechseln der Textfolien ist einfach und läßt sich im Zuge der normalen Überprüfungen des Seseke-Ufers durch den städtischen Baubetriebshof durchführen. Dazu wird die alte Folie abgenommen und die neue aufgeklebt. Einfacher ist das Verfahren mit AluDibond-Tafeln, die nur aufgeschraubt zu werden brauchen.

Die Stelen sollten in das Eigentum der Stadt übergehen.

Bei den oben gemachten Angaben handelt es sich um einen Vorschlag, dessen Einzelheiten variabel sind.

KH