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Der KKK fragt … Teil 7

Der ehemalige Kamener Stadtarchivar Jürgen Kistner besitzt ein umfangreiches Archiv, das er immer wieder einmal durchforscht. Dabei ist ihm das angefügte Photo in die Hände gefallen, das jedoch große Rätsel aufgibt.

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Vermutlich ist es nach 1900 entstanden. Es zeigt eine sich lang hinziehende Fabrikanlage, neben der links ein hoher Kamin steht, vermutlich gehörte er zu einer Ziegelei, von denen es bei uns um diese Zeit recht viele gab. Das Gebäude rechts neben dem Kamin ist markant, vielleicht hilft es, den Ort zu identifizieren. In der Mitte verläuft ein Weg, der auf eine Unterführung zuläuft. Was auf dem darüber führenden Damm ist, ob ein anderer Weg, ist nicht zu erkennen. Durch die Bildmitte läuft eine Reihe Pfosten, an denen vielleicht ein Zaun befestigt werden soll. Davor sieht man Bahnschienen, vielleicht eine Feldbahn, die zu der Fabrik oder zur Zeche gehört? Davor ist die Erde aufgewühlt, offenbar sind umfangreiche Erdarbeiten im Gange.

Wer kann helfen, die Lage zu bestimmen?

KH

Das 10. Zeitzeichen

Am Donnerstag 12. November 2015, fand im Alten Gasthaus Schulze Beckinghausen das 10. Zeitzeichen des Kultur Kreises Kamen statt. Christiane Cantauw M.A., wissenschaftliche Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster beschäftigte sich mit: „Der gute Tod und die Kunst des Sterbens. Kulturhistorische Betrachtungen zu Tod und Sterben“.

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Die Befürchtungen des KKK, das Thema erweise sich als zu sperrig und könne abschrecken statt anziehen, erwies sich als unbegründet. Der Saal bei Schulze Beckinghausen war bis auf den letzten Platz gefüllt und noch einmal so vielen Interessenten mußte im Vorfeld abgesagt werden.

Was allen Menschen gemeinsam ist: niemand kennt den Zeitpunkt seines Todes. Gewiß ist nur, daß jeder sterben wird. Und mit dem Tod eines Menschen sind seit jeher bestimmte Riten verbunden.

Ihrem Vortrag stellte Christiane Cantauw folgende Sage voran:

„Es gab eine Zeit, in der die Menschen wußten, wann sie sterben würden. Dies führte dazu, daß sie beim Herannahen des Todestages die täglichen Verrichtungen vernachlässigten und die Folgen für die Nachwelt nicht mehr bedachten. Eines Tages beobachtet Gott, wie ein Bauer einen Zaun mit Brennnessel repariert. Zur Rede gestellt, rechtfertigt der Bauer sein Tun mit dem bevorstehenden Tod. Aufgrund dessen beschließt Gott, den Menschen die Kenntnis ihres Todestages zu nehmen.”

Wir Menschen wissen zwar nicht, wann wir sterben werden, leben aber in der Gewißheit, irgendwann sterben zu müssen. Wir können uns gedanklich mit Tod und Sterben auseinandersetzen, empirisch erfahrbar wird Sterblichkeit aber nur durch den Tod unserer Mitmenschen.

In diese drei Kategorien teilte die Referentin ihren Vortrag zum Thema ein:

a. Personen

b. Orte

c. Objekte

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a. Personen

Im Mittelalter (MA) waren mit dem Tod von Menschen Totengräber und Henker befaßt. Sie galten als unehrenhaft, weil es Teil ihres Berufs war, einen sachlichen Umgang mit dem Tod zu pflegen, sie mit dem Tod Geld, ihren Lebensunterhalt verdienten, während Fürsorge für die Toten doch eigentlich Christenpflicht war, man sich unentgeltlich ihrer annahm. Handwerker u.a. vermieden jeden Kontakt zu den Unehrenhaften, man heiratete nicht über die zwischen ihnen bestehende unsichtbare Grenze hinweg. Daher entstanden mit der Zeit regelrechte Henkersdynastien, die immer am Rande der Gesellschaft, wenn nicht außerhalb ihrer lebten.

Dafür gab es Nachbarschaften, die für die soziale Bindung der Menschen sorgten, Beistand leisteten bei allen entscheidenden Ereignissen im Leben: Geburt, Hochzeit, Tod. Dafür brauchte man keineswegs Freund miteinander zu sein. Solche „Tod– und Notnachbarn“ konnten einander spinnefeind sein – in der Situation des Todes stand man einander bei. Man holte den Priester, der die letzten Sakramente spendete; man wusch den Toten, kleidete ihn fürs Totenbett, hielt Totenwache, band ihm das Kinn hoch; stellte Essen und Getränke für die Trauernden bereit, kurz: leistete dem gesamten Haushalt Beistand. Man erledigte alle alltäglichen Arbeiten, damit die Hinterbliebenen Zeit für ihre Trauer hatten. Es entwickelte sich eine „ars moriendi“ als Pendant zur „ars vivendi“.

Die Nachbarn erwiesen dem Toten auch die letzte Ehre, indem sie Zeugen der Sterbesakramente waren. Und diese waren besonders wichtig, denn ohne sie zu sterben verursachte die Furcht vor dem Fegefeuer. Dann rief man die 14 Nothelfer an, deren wichtigster im Münsterland St. Christophorus war: der Legende nach trug er ein Kind durch einen reißenden Fluß und merkte in der Flußmitte, daß die Last immer schwerer wurde. Dazu befragt, antwortete das Kind: Du trägst die ganze Welt auf deinen Schultern. Damit wurde er derjenige, der im Glauben der Menschen die Seelen ins Totenreich hinübertrug. (Hier gibt es Anklänge an die antike griechische Mythologie: der Fährmann Charon befördert die Toten über den Fluß Styx ins Totenreich.)

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Ebenfalls nicht gesellschaftlich angesehen waren die Totenfrauen, meist Witwen und arme Frauen, die ihre Dienste an den Toten gegen Bezahlung verrichteten. Zu dieser Gruppe gehörten auch die Totengräber, die allenfalls noch als Kloakenreiniger beschäftigt wurden. Heute wird die Rolle der Nachbarn in der Regel durch Bestattungsunternehmen wahrgenommen.

b. Orte

Auf dem Land war es in Westfalen immer üblich, zu Hause zu sterben. Das Schlafzimmer war meist auch das Sterbezimmer. Dort stand der Versehtisch mit einem Standkreuz, Kerzen, Palmzweig, Weihwasser und einer Schale Salz. Die Uhren im Haus wurden angehalten und alle glänzenden Gegenstände verhüllt: man wollte symbolisch zeigen, daß diese Gegenstände als Ausdruck der diesseitigen Welt für den Toten jetzt unbedeutend waren, seine Seele war im Jenseits. Um aber ganz sicher zu gehen, daß der Tote auch wirklich tot war, wurde er drei Tage lang aufgebahrt und eine Nachtwache organisiert (mancherorts waren das nur Männer, sonst aber Frauen für tote Frauen, Männer für Männer, immer aber war die Totenwache Pflicht). Während der Nachtwache wurde gebetet, über den Toten geredet, auch schon mal Karten gespielt und Schnaps getrunken, wenn der Tote eben das zu Lebzeiten gern getan hatte. Er gehörte einfach noch dazu. Erst im Laufe des 19. Jh. änderte sich das, weil man diesen Gedanken nicht mehr verstand und solches Handeln als pietätlos empfand. Und als im 20.Jh. schließlich alle Feierlichkeiten in Gasthäuser verlegt wurden, gehörte der Tote endgültig nicht mehr dazu.

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Ein Besuch im Trauerhaus war Pflicht, zeigte die Ehrerbietung gegenüber dem Toten. Dabei spritzte man mit einem Buchsbaumzweig Weihwasser über ihn. Strich man mit diesem Zweig über jemandes Warzen, dann nahm der Tote diese mit ins Jenseits und man war seine Warzen los. Kinder kamen zum „Bekieken der Leiche“ und standen dann unter dem Schutz der Heiligen.

Bis ins 18. Jh. wurden die Toten auf dem Kirchhof beerdigt. Das war das Areal direkt um die Kirche herum. Dort fanden auch Armenspeisungen, Prozessionen und Rechtsprechung statt. Der Sinn: im Angesicht der Kirche und der Lebenden und der Toten fand dort Alltägliches statt. Die Toten waren mitten unter den Lebenden. So ließ man z.B. auch Vieh dort weiden. Nur die Reichen und Mächtigen wurden in der Kirche selber beerdigt.

Während der Pestepidemien im MA wurden die Kirchhöfe zu klein. Daher wurden Pestfriedhöfe außerhalb der Stadt angelegt. Somit waren die Toten nicht mehr mitten unter den Lebenden. Familienbegräbnisse wurden nun zunehmend in Reihengräbern vorgenommen. In der Mitte des 19. Jh. wurden dann Klagen laut, daß menschliche Gebeine auf Kirchhöfen gefunden wurden. Danach wurden Friedhöfe nur noch am Ortsrand angelegt.

Gleichzeitig war im Zuge der Industrialisierung die Arbeiterklasse entstanden, die nicht mehr, wie zuvor die Landbevölkerung, großen Wohnraum zur Verfügung hatte. In ihren Kleinwohnungen, oft wg. der finanziellen Entlastung zusätzlich mit Schlafgängern belegt, gab es keinen Platz für die Aufbahrung des Toten mehr. Es entstand die Notwendigkeit zum Bau von Leichenhallen auf den Friedhöfen. Die erste entstand 1792 in Weimar, 1819 wurden sie in Preußen gesetzlich eingeführt (Westfalen war seit 1815 preußische Provinz), 1873 die erste in Münster gebaut. In der Mitte des 20. Jh. wurde es Pflicht, die Aufbahrung in Leichenhäusern vorzunehmen, heute ist sie wieder zu Hause erlaubt.

Früher war Selbstmördern und ungetauften Kindern die Bestattung in geweihter Erde versagt. Starben sie, bevor sie ein Jahr alt waren, gab es ein „Begräbnis unter dem Mantel“, d.h., sie wurden zu jemand anderem in den Sarg gelegt oder in einem anderen Grab „beigesetzt“. Das sparte vor allem Kosten

Kosten gespart werden auch durch die heute rasant zunehmende Feuerbestattung, deren Anteil mittlerweile schon bei 50% liegt. Das erste Krematorium gab es in Gotha im Jahre 1878. In Westfalen war Karl Ernst Osthaus , wie in vielem anderen auch, der Vorreiter, als er 1907/08 das erste Krematorium in Hagen bauen ließ. Es gründeten sich überall Vereine für Feuerbestattung, die vor allem hygienische Gründe für diese Form der Bestattung ins Feld führten. Aber natürlich war diese Bestattungsform auch platzsparend. (Jüdische Gräber haben Ewigkeitsrecht, weswegen man z.B. auf dem jüdischen Friedhof in Prag bis zu 30 Begräbnisschichten übereinander findet.) Papst Leo XIII (1810 – 1903) war gegen die Feuerbestattung. Erst 1963 hat die katholische Kirche sie akzeptiert.

c. Objekte

Wir können dem Tod kein Schnippchen schlagen, daher gewöhnen wir uns an ihn, wir entwickeln Formen für den Umgang mit ihm. Trauerkleidung wird eingeführt, wird zur Norm für alle. Der ganze Körper wird mit einem Rentuch (Leichentuch aus Leinen) verhüllt. Bis ins 17. Jh. war die Farbe der Trauerkleidung nicht geregelt, es konnte rot, weiß, grün sein. Daß wir heute schwarze Kleidung vorschreiben, geht auf das spanische Hofzeremoniell zurück. Ursprünglich trug man in Volltrauer sechs Wochen lang schwarz, in Halbtrauer durfte man danach schon wieder ein bißchen Schmuck anlegen. Später trug man einen Trauerflor am linken Oberarm (Juden zerreißen ihre Kleidung). Das alles war wichtig, symbolisierte es doch für bestimmte Zeit einen Ausnahmezustand.

Für das Jahresseelenamt gab es seit dem 15. Jh. (bis ins 19. Jh.) Totenzettel, die üblicherweise im Gesangbuch aufbewahrt wurden und auf denen der Werdegang des Verstorbenen erzählt wurde. Im HochMA kam aus Frankreich der Arme-Seelen-Glaube zu uns, der dazu führte, daß Spenden als Einnahmequelle entdeckt wurden, durch die man die Zeit des Toten im Fegefeuer verkürzen konnte. Es zeigte, daß die Trennung zwischen den Welten der Lebenden und der Toten nicht unüberwindlich sei: wenn die Lebenden den Toten etwas Gutes tun können – warum dann nicht auch umgekehrt die Toten den Lebenden? Der „Wiedergänger“ war entstanden. Damit der Tote nicht als solcher zurückkommen konnte, trug man ihn mit den Füßen zuerst hinaus.

Im 18./19. Jh. wurde es in Westfalen Mode, aus dem Haar verstorbener Frauen Schmuck herzustellen, meist aus geklöppeltem Haar in Bildform. Mit dem Aufkommen der Photographie wurden Erinnerungsphotos Mode. Dabei ging es zunächst darum, den Toten „wie lebendig“ abzubilden, man wollte die Zerstörung des Körpers bannen. Anfangs mußte man dazu die Leiche zum Photographen bringen, später ließen diese sich in der Nähe der Friedhöfe nieder. Im 20. Jh. wurde der Aufgebahrte als Schlafender photographiert. Den Tod verstand man nun als „Schlaf“. (Auch hier wieder der Anklang an die griechische Mythologie: Hypnos = Schlaf und Thanatos = Tod sind Brüder). Gleichzeitig wurde das Abschiednehmen am offenen Sarg unüblich, der Tote sollte wie ein Lebender im Gedächtnis bleiben.

So gibt es starke Wandlungen in unserem Verhältnis zum Tod. In der „guten, alten Zeit“ gab es eine enge soziale Kontrolle in seinem Umfeld. Der Tod war öffentlich, jeder hielt die sozialen Normen ein. Man brachte dem Toten Ehrerbietung und Achtung entgegen. Durch die Lockerung religiöser Bindungen in der Mitte des 20. Jh. fanden Sterben und Tod mehr und mehr unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Das Brauchtum in seinem Umfeld wurde aufgegeben, die Menschen verloren auch ihre Verhaltenssicherheit im Angesicht des Todes. Dafür entstand die Hospizbewegung, das Sterben braucht eben einen eigenen Ort und eine eigene Zeit. Heute kommt es zu immer individuelleren Formen des Begräbnisses: ein Fußballanhänger bekommt die Farben seines Lieblingsvereins und einen Fußball auf sein Grab, ein Fußballverein legt seinen eigenen Friedhof an. Das Opfer eines tödlichen Verkehrsunfalls bekommt eine Gedenkstelle am Unfallort, an der regelmäßig Blumen abgelegt und Kerzen entzündet werden, kurz, es ist eine Vielfalt an Umgangsweisen mit dem Tod an die Stelle früheren Brauchtums getreten. Die alte ars moriendi ist ausgestorben.

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Nachdem das aufmerksam lauschende und, wie sich nachher zeigte, begeisterte Publikum die reichlichen Portionen Grünkohl mit Bratkartoffeln, Kassler und Mettwurst verspeist hatte, ergab sich eine angeregte Unterhaltung mit der Referentin, die noch eine Reihe Kamener Besonderheiten beim Umgang mit dem Tod nach Münster mitnahm.

Die Ortsheimatpflegerin von Kamen wußte folgendes zu berichten: In Kamen gab es ebenfalls Nachbarschaften, die sich um alles im Umfeld von Geburt, Hochzeit und Tod kümmerten, Schichten genannt. Jede Schicht war einem Stadttor zugeordnet. In der Ostenschicht, die am längsten Bestand hatte, war es üblich, daß die Sargträger ein spitzenumrandetes Leinentüchlein bekamen, das sie um die Tragegriffe des Sarges legten und nach der Beerdigung als Lohn behalten durften.

Der Ortsheimatpfleger von Heeren-Werve trug folgende amüsante Geschichte bei: Als man begann, die Toten aufzubewahren, kam es einmnal vor, daß der Sarg für eine besonders gut genährte und stämmige Tote nicht durch die Haustür paßte. Hineinzukommen war kein Problem, da man den Sarg hochkant stellen und drehen konnte, wie es erforderlich war. Das Hinaustrage gestaltete sich allerdings sehr schwierig, hochkant tragen und den Sarg drehen – das konnte und wollte man der Toten nicht antun. Da baute man ein Gerüst vor dem größten Fenster auf, hievte den Sarg darauf und vermochte ihn abzutransportieren.

Und er wußte noch eine zweite Anekdote zu berichten: Bei einer Nachtwache wurde fleißig gebechert, bis die Jungs auf die Idee kamen, daß der Tote doch sicherlich auch ein Schnäpschen trinken möchte. Sie steckten ihm die Tülle der Flasche in den Mund und ließen den Schnaps rinnen. Als die Flüssigkeit langsam die Speiseröhre hinunterlief und die in ihr enthaltene Luft komprimierte, löste sich ein gewaltiger Rülpser. Vor lauter Schreck über den vermeintlich zum Leben erweckten Toten nahmen die Schluckspechte Reißaus.

KH

Kultur Route Kamen

Endlich ist der erste Schritt getan. Nach langer Vorlaufzeit und Verzögerungen durch unvorhergesehene Schwierigkeiten ist das erste Schild der neuen Kultur Route Kamen heute, 29. Oktober 2015, angebracht worden.

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Im Bild (von links nach rechts): Gastwirt Ullrich Neumann, Klaus Holzer KKK, Reimund Kasper KKK, Hans-Jürgen Kistner KKK

Schon vor fast zwei Jahren faßte der KKK den Entschluß, auf historisch bedeutsame Stellen in Kamens Westen, Methler, durch Informationstafeln aufmerksam zu machen. Man konnte sich schnell auf folgende Orte einigen:

  1. Bahnhof Kamen (Schild vorhanden; Ausgangspunkt der Route)

2. Seseke-Körne-Winkel

3. Berger Mühle

4. Wasserkurler Körnebrücke

    5.  Schulze Beckinghausen, Westick

6. Sportzentrum Kaiserau

7. Sektion VIII in Kaiserau

8. Lutherplatz in Methler

9. Technopark in Kamen (von dort zurück zum Bahnhof)

Mit Hans-Jürgen Kistner verfügt der KKK über den Kenner der Kamener Stadtgeschichte. Er machte sich gleich daran, die entsprechenden Texte zu verfassen und aussagekräftige Photos aufzutreiben. Reimund Kasper, der bekannte Kamener Künstler, gestaltete die Tafeln . Die anderen beiden Mitglieder des KKK übernahmen es, das notwendige Geld zu beschaffen und, in Kooperation mit dem ADFC Kamen, die Streckenführung auszuarbeiten, sollten doch Straßen vermieden werden.

Die Kultur Route Kamen-West ist als Rundkurs angelegt und folgt der vorhandenen Radwege-Beschilderung des Lippeverbands. Damit man der Kultur Route folgen kann, wird ein demnächst anzubringendes Logo den Weg weisen. Ausgangspunkt in Kamen ist zwar der denkmalgeschützte Bahnhof, doch kann man überall einsteigen und seine individuelle Teilstrecke wählen. Der Kurs ist leicht zu fahren und auch für Familien mit kleinen Kindern geeignet.

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Stolz auf die neue Informationstafel: Gastwirt Ullrich Neumann

Nach Abschluß des Teils West wird es den Teil Kamen-Ost geben, der Heeren-Werve auf die gleiche Weise erschließen soll. Dann ist es möglich, Kamen auf historischem Pfad ganz zu umrunden.

Ein die Kultur Route Kamen begleitendes Faltblatt ist in Arbeit und wird allen Interessierten wertvolle Hinweise zur Geschichte ihrer Heimat geben.

Zur vollständigen Finanzierung werden noch Sponsoren gesucht. Spenden können auf das Konto des Fördervereins des Kamener Museums, IBAN DE 27 4435 0060 1800 0390 99 bei der Sparkasse UnnaKamen, Stichwort: KKK, überwiesen werden. Der Förderverein stellt steuerlich wirksame Spendenquittungen aus (bitte Spenderadresse deutlich angeben).

KH

Der KKK fragt … Teil 6

Das heutige Photo gibt dem KKK ein großes Rätsel auf. Vermutlich ist es nach 1900 entstanden. Es zeigt links neben einem markanten Gebäude eine hohen Kamin, der zu einer Ziegelei gehört haben könnte, deren es damals in unserer Gegend nicht wenige gab. In der Bildmitte läuft ein Weg  auf eine Unterführung zu. Es ist nicht zu erkennen, was auf dem darüberführenden Damm liegt, vielleicht ein weiterer Weg, vielleicht auch Bahnschienen. Durch die Bildmitte verläuft eine Reihe Pfosten, an denen vielleicht ein Zaun befestigt werden soll. Davor sind Bahnschienen zu erkennen. Gehören sie zu einer Feldbahn, die zu der vermuteten Ziegelei gehört? Oder führt sie zu einer Zeche. Die aufgewühlte Erde im Vordergrund deutet auf umfangreiche Erdarbeiten hin.

KKK fragt 6

Wer weiß, um welche Anlage es sich handelt und kann bestimmen, aus welcher Himmelsrichtung das Photo aufgenommen wurde?

KH

Der KKK fragt … Teil 5

Bei einer Stadtführung sagte der hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek, seine Oma habe ihm gesagt, früher sei die Kirmes oft auf dem Edelkirchenhof abgehalten worden. Doch keiner konnte das bestätigen. Stimmt das?

Der Edelkirchenhof liegt auf dem Gelände zweier ehemaliger Burgmannshöfe, dem Haringhof und dem Reck-Palandschen Hof. Beide Burgen wurden Anfang des 14. Jh. gebaut und waren für den Schutz des Westen– bzw. des Kämertores zuständig. Der Haringhof wurde 1912, der Reck-Palandsche Hof 1925 abgerissen. Das gesamte Areal wurde im Zuge der weitreichenden Umgestaltung der Stadt im Westen durch Baurat Reich – Kanalisierung und Eindeichung der Seseke, Anlage von Post– und Koppelteich, Bau der Koppelstraße mit Flußbrücke – vollständig neu gestaltet. Es entstand eine geometrisch geformte Parkanlage, die Vorläuferin des heutigen Parks.

13. Edelkirchenhof

Hier noch eine neuere Form der Gestaltung:

Mail-Anhang

Wer weiß, ob es hier Kirmessen 13. Edelkirchenhof oder auch Zirkusveranstaltungen gegeben hat?

KH

Das 10. Zeitzeichen

Das mittlerweile 10. Zeitzeichen des KKK findet am 12. November 2015 statt. Beginn ist um 19.00 Uhr. Und der Veranstaltungsort ist dieses Mal die alte Gaststätte Schulze Beckinghausen, Mühlenstraße 99, in Westick.

Die Referentin des Abends ist Christiane Cantauw, MA, von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster.

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Das Thema ist der Jahreszeit angemessen:

„Der gute Tod und die Kunst des Sterbens.”

Zeitzeichen 10 DIN A5 Plakat

Kulturhistorische Schlaglichter auf Tod und Sterben.

Um den Abend auch zu einem westfälischen Ereignis werden zu lassen, kocht der Gastwirt Uli Neumann ein typisch westfälisches Gericht: Grünkohl mit Bratkartoffeln und einer Scheibe Kassler und einer Mettwurst zum Preis von € 8,90.

Damit der Wirt das Essen planen kann, bitten wir die Teilnehmer um Anmeldung bei Klaus Holzer, Tel.: 02307 / 79 74 19 oder als Email: et.holzer@gmx.de

KH

Der KKK fragt … Teil 4

Kamen hat die meisten seiner Denk– und Mahnmale verloren: das Löwendenkmal vor der Pauluskirche 1946, die Sedansäule auf dem alten Markt 1956, den Gedenkstein für den VfL-Gründer Carl Hammacher vor der alten VfL-Turnhalle, den Kaiser-Wilhelm-Gedenkbrunnen am Stadtpark, den Gedenkbrunnen im alten Rathaus.

Das Photo zeigt die Einmündung des Sesekedamms auf die Bahnhofstraße. Die Villen im Hintergrund am Mühlen(tor)weg und dem Sesekedamm wurden Mitte der 1930er Jahre erbaut. An der Stelle, wo heute das Mahnmal für die 1953 noch in der Sowjetunion gefangenen Wehrmachtsoldaten von Otto Holz steht, stand einmal eine Rakete oder Bombe, mit der Spitze nach unten gerichtet. Auf der Schauseite ist eine längere Inschrift zu erkennen. Es liegt nahe, dieses „Denkmal“ in die Kriegsjahre zu legen.

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Und hier der Ausschnitt:

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Wer weiß etwas darüber?

KH

 

Der KKK fragt … Teil 3

Das letzte Mal präsentierte der KKK das Photo eines jungen Paares, das offensichtlich in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte, in der für die Zwischenkriegszeit typischen Wohnküche mit Herd und Bett. Heute haben wir das Photo einer bürgerlichen Familie, und der Kontrast könnte kaum größer sein.

Der Mann ist das, was man wohl „stattlich“ nannte. Er trägt einen „kaiserlichen“ Schnurrbart, an der linken Hand einen schweren Ring und über dem Embonpoint eine auffällige Uhrenkette. Eisen und Schlägel weisen darauf hin, daß er eine herausgehobene Position im Bergbau bekleidete. Aus seiner Miene und der Körperhaltung sprechen Stolz und Selbstbewußtsein.

In merkwürdigem Kontrast dazu steht die Persönlichkeit der Frau. Sie schaut etwas verschüchtert drein, ihr Blick ist nicht in die Kamera gerichtet, sondern in eine ungewisse Ferne. Sie wirkt eher resigniert als stolz. Ihr schweres schwarzes Kleid ist das Kleid einer gutbürgerlichen Frau.

Das Baby trägt das typische Kleidchen, wie man es in der Kaiserzeit sowohl Jungen wie auch Mädchen anzog. Das wohlgenährte Gesicht könnte einer Zwieback-Reklame entstammen.

Um die Familie herum finden sich Attribute bürgerlichen Wohlstands: der wohldressierte Hund liegt den Herrschaften zu Füßen auf einem (Wolfs?)fell, reich geschnitzte Möbel links und rechts runden die Szene ab.

Aus der Unterzeile ergibt sich, daß das Photo von Ernst Brass gemacht wurde. Ernst Brass war der erste Photograph, der sich in Kamen niederließ. 1893 kam er hierher, zuerst einmal, um herauszufinden, ob er hier wohl sein Geschäft mit einiger Aussicht auf Erfolg würde eröffnen können. Diesen Besuch hat er in einem heute noch lesenswerten Bericht beschrieben.  Ernst Brass wurde ein prominenter Kamener Bürger, der u.a. auch lange Zeit das Stadtarchiv  betreute. Er betrieb seinen Laden bis 1934, als Konrad Holzer ihn übernahm, und jahrzehntelang alle Schulanfänger, Kommunions– und Konfirmationskinder, Hochzeiten, ob grün,silber oder gold, photographierte. Und die allermeisten Kamener bekamen hier auch ihre Paßphotos. Es gab wohl kaum einen Kamener Haushalt, in dem es nicht Photos gab, die erst Ernst Brass, dann Konrad Holzer gemacht hatten.

Wer weiß Genaueres über diese Familie?

Mann mit Uhrkette

 

KH

Der KKK fragt … Teil 2

Ein Photo, das die typischen Wohnverhältnisse eines Arbeiterhaushalts zwischen den Kriegen wiedergibt: Mansarde, Wohnstube mit Bett und zwei Küchenschränken, vorn links ist gerade noch der Henkel eines Kessels zu erkennen, der auf dem Küchenherd steht; es handelt sich um ein junges Paar aus dem Arbeitermilieu; die Frau erscheint deutlich jünger, wohlgenährt; er wirkt älter, wirkt verbraucht, vielleicht ist er Bergmann. Links hinter der Frau, halb vom Schrank verdeckt, hängt ein Hellweger-Anzeiger-Kalender an der Wand. Am rechten Schrank, zur Wand hin, hängt ein Mantel (?), er dient also auch als Garderobe.

Ehepaar in Wohnküche 1930

Unsere Frage:

Wer kennt die abgebildeten Personen und weiß, wo sie gewohnt haben?

Die eingehenden Informationen werden natürlich dem Stadtarchiv Kamen übergeben und somit für die Nachwelt gesichert.

Klaus Holzer

Wilhelm Wienpahl – Kamener Erfinder und Unternehmer,

von Klaus Holzer

Abb. 1 Wilhelm Wienpahl _0001

Wilhelm Wienpahl, 25.7.1850 – 8.11.1923 (Photo von Ernst Brass)

 Als am 18. Januar 1871, nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich, das Deutsche Reich im Spiegelsaal von Versailles gegründet wurde, ging nicht nur jahrhundertelange deutsche Kleinstaaterei zu Ende (zeitweise gab es über 350 unabhängige Kleinstaaten auf deutschem Territorium!), sondern die „verspätete Nation“ (Helmut Plessner) erlebte vor allem durch zwei damit einhergehende Ereignisse eine vorher nie dagewesene Wachstumseuphorie. Zum einen entfielen alle mit der Kleinstaaterei verbundenen (Binnen)zölle, zum anderen lösten die von Frankreich an das Deutsche Reich zu zahlenden Reparationen eine Geldschwemme aus, die die in der Mitte des Jahrhunderts in Gang gekommene Industrielle Revolution begleitete und antrieb. Die nächsten zwei Jahrzehnte heißen heute zu Recht die „Gründerjahre“. Und was sich im Reich und vor allem an der Ruhr im großen abspielte – es entwickelte sich hier Europas größter industrieller Ballungsraum – fand auch im ländlich–beschaulichen Kamen (bis 1903 mit C: Camen) seine Entsprechung.

Seit der Mitte des 19. Jh. hielt in Kamen die Industrialisierung Einzug, und mit ihr die moderne Zeit:

1847 – die Köln-Mindener Eisenbahn fährt durch Kamen

1865 – eine Gasanstalt wird eröffnet

1873 – Abteufung von Grillo I der Zeche Monopol

1887 – Beginn der zentralen Wasserversorgung

1891 – Kamen erhält eine Molkerei

1892 – Beginn des Baues der Kanalisation

1909 – die VKU verbindet Unna, Kamen und Werne

1921 – Kamen bekommt die erste elektrische Straßenlaterne

In den Jahren von 1847 bis 1913 hatte Kamen nur zwei Bürgermeister, Julius von Basse (BM von 1847 – 1877) und seinen Sohn Adolf von Basse (BM von 1877 – 1913). Es ist deutlich, was für einen Modernisierungsschub Kamen während ihrer Amtszeit erlebte. Friedrich Pröbsting schreibt denn auch bewundernd: „Während der Amtszeit der beiden [ … ] Bürgermeister Julius von Basse und Adolf von Basse, also seit 1847, hat unsere Stadt einen Aufschwung genommen, wie nie zuvor.“

Nachdem Kamen „einen Hafen an einem der bedeutsamsten Ströme Europas“ (der Stadtchronist Friedrich Pröbsting über die Eisenbahn 1901) bekommen hatte, siedelte sich auch in unserer kleinen Stadt (1875 hatte Kamen 4157 Einwohner, im Dezember 1900 schon 9888) Industrie an:

Papierfabrik Friedrich, 1850

Gießerei und Metalldreherei Theodor Jellinghaus, 1868

Gußstahlfabrik Vohwinkel, 1870

Cigarrenfabrik Möllenhof, Anf. 1850er Jahre

Maschinenbau & Tiefbohrungen Winter, 1870

Eiserne Kleinwagen Wönkhaus, 1872

Schuhfabriken von der Heide, Betzler, Henter

Schlossereien Klein, 1874

Bohde, Wienpahl, 1874

Herde Fischer, 1888

Am 22. Januar 1875 erschien im Volksfreund, der damaligen Camener Zeitung, die folgende Annonce:

Annonce 1

Die junge Firma bot ein reiches Spektrum an Waren und Reparaturleistungen. Und offenbar weitete sie ihr Angebot sehr schnell aus. Schon im Sommer bot sie an:

Annonce 2

Neben den landwirtschaftlichen Geräten scheinen vor allem Bierpumpen gefragt gewesen zu sein, gab es doch in Kamen traditionell viele „Herren Bierwirthe“. Die aufstrebende Firma machte sich schnell einen Namen und wurde erfolgreich, da die beiden Eigentümer erkannten, daß Diversifizierung der Schlüssel zum Erfolg war. Man handelte, stellte her und reparierte. Aber vielleicht war es doch nicht so einfach, ein so breites Angebot wirtschaftlich zu betreiben. Schon am 1.5.1877 trat Julius („Jülle“) Bohde wieder aus der Firma aus und machte sich am heutigen Standort selbständig. Er konzentrierte sich mehr auf den Handel, WW hingegen auf Produktion und Reparatur.

Von allen diesen Namen ist nur Bohde heute noch vertreten. Fast ganz in Vergessenheit geraten ist der Mann, der zuerst mit Julius Bohde zusammen eine Schlosserei gründete, Wilhelm Wienpahl (WW) (geb. 25.7.1850, gest. 8.11.1923). Die beiden erwarben direkt vor dem Ostenthor ein Grundstück, das nach hinten an den damals noch offenen Goldbach grenzte und nach vorn an die „Chaussee von Camen nach Hamm“, gegenüber dem 1866 stillgelegten, 1891 in den heutigen Stadtpark umgewandelten Friedhof, und bauten sich 1874 ein stattliches Gebäude. Am 1.1.1875 eröffneten sie ihre gemeinsame „Gelbgießerei und mechanische Werkstatt“. Adresse: Ostenstraße o.Nr. (Die Adresse im Jahre 1902 ist: Ostenfeldmark 12; danach auch: Ostraße; 1914 aber: Hammer Straße 200; später dann: Hammer Straße 1).

Abb. 2 Wilhelm Wienpahl Fabrik 1_NEWWilhelm Wienpahl vor seiner Fabrik nach der ersten Erweiterung in den 1880er Jahren

Wilhelm Wienpahl machte so erfolgreich weiter, daß er seinen Betrieb schon nach wenigen Jahren durch einen Anbau erweitern mußte, auf den er gleich danach auch noch ein Obergeschoß setzte, da er sein Angebot an Leistungen bedeutend erweiterte. Es hieß jetzt:

Wilhelm Wienpahl

Mechanische Werkstatt

Schlosserei & Dreherei

Grubenlampen– & Metallwarenfabrik

Thore, Gitter, Ventile, Hähne

Nähmaschinen, Fahrräder

Haushaltungsmaschinen

Reparaturen aller Art

Gruben-Bedarfsartikel

Gegründet 1874

Abb. 3 Wilhelm Wienpahl Fabrik 2_0001Die Fabrik nach der Zweiten Erweiterung

WW war ein findiger Kopf. Es reichte ihm nicht, einfache Sachen zu bauen und zu reparieren. Kurz bevor er seine Fabrik gegründet hatte, hatten die Unternehmer Grillo und Grimberg mit der Teufung ihrer Zeche Monopol begonnen. Ab 1878 wurde in Kamen Kohle gefördert. Die Arbeit unter Tage war schwer und gefährlich, viel hing von der Konzentration des Grubengases ab. Das Leben der Kumpel hing davon ab. Es gab Grubenlampen, deren Flamme, untergebracht in einem messingnen Drahtgeflecht, umso heller brannte, je höher die Gaskonzentration war. Doch ließen sich diese Modelle leicht öffnen, und wenn das geschah, entzündete die Flamme das Gas, und es gab eine Scghlagwetterexplosion. Sie durfte also nur Übertage geöffnet werden können.


Abb. 4Abb. 5Abb. 6 Patent 2_0001Die beiden Patente von 1884 und 1886 und die schematische Darstellung des Sicherheitsverschlusses

WW entwickelte nun einen, wie er meinte, sicheren Verschluß. Er gab die Lampe einem Steiger, um seinen neuartigen Verschluß auszuprobieren und erwartete gespannt, daß dieser scheitern würde.  Der aber öffnete ihn gleich beim ersten Versuch. WW war enttäuscht, tüftelte weiter. Schließlich gelang ihm ein Sicherheitsverschluß, den er sich patentieren ließ (Patent Nr. 31694 vom 17. Juli 1884). 1886 erhielt er noch ein zweites Patent (Nr. 38267 vom 27. März 1886). In der Camener Zeitung vom 15. Dezember 1895 gibt es eine Notiz über ein Patent an WW, doch ist nicht mehr feststellbar, ob es sich um ein drittes Patent handelt oder ob in der Nachricht auf eins der früheren zurückgegriffen wurde. Die Nachkommen WWs wissen jedenfalls nichts von einem dritten Patent.

Abb. 6a Annonce Wienpahl 15.12.1895

Abb. 7a Annonce Wienpahl 19.11.1882

Und mehrfach erhielt er Gebrauchsmusterschutz auf seine Grubenlampe. Diese Lampe wurde Standardmodell auf vielen Zechen, und WW ließ 1906 sechs Schmucklampen herstellen und verchromen. Eine Lampe ist heute noch im Besitz der Familie, eine stand vor noch nicht allzu langer Zeit in der Altdeutschen Bier– & Weinstube Kümper in der Bahnhofstraße auf einem Brett über der Tür. Eine Lampe erhielt der langjährige Zechendirektor Friedrich Funcke, der auf der „Funckenburg“ wohnte (heute Zollpost). Wo die anderen drei geblieben sind, läßt sich nicht mehr feststellen.

Abb. 7 Grubenlampe WienpahlDie Schmucklampe von 1906

Hier war also ein Kamener, der sich aktiv um die Sicherheit der Bergleute verdient machte. 1874 oder 1875 heiratete er die aus Dortmund stammende, drei Jahre ältere Luise Rühl (2.7.1847 – 15.10.1915). Sie hatten fünf Kinder, drei Jungen und zwei Mädchen. Dieses Familienphoto stammt von 1889 oder 1890.

Abb. 8 Familie Wienpahl

Wilhelm Wienpahl und seine Familie

Abb. 8a Wienpahl Artikel 1877

Aber die Produktpalette war größer. Am 11.9.1877 stellte WW beim landwirtschaftlichen Fest des Kreisvereins Hamm in Kamen seine Rübenschneide– und Handdreschmaschinen aus. Sicher weiß sein Nachkomme heute nur noch, daß er drei Altgesellen hatte, jedoch nicht mehr, wieviele Arbeiter in der Fabrik arbeiteten. Wenn man aber die Stellung eines Altgesellen betrachtet, so ist er einem Werkstattmeister von heute gleichzusetzen. Es darf also angenommen werden, daß die Belegschaft vielleicht 20 bis 30 Leute betragen haben mag.

Abb. 9 Turnerfeuerwehr 1896 2 Kopie 2Die Kamener Turner-Feuerwehr; Wilhelm Wienpahl vorn links im Oval

Abb. 10

Wilhelm Wienpahls Belobigung durch den Kaiser

WW hatte gehofft, daß einer seiner Söhne eines Tages die väterliche Fabrik übernehmen würde. Aber wie es dann so geht in bürgerlichen Familien, die aufwärts streben, sich für ihre Kinder einsetzen, damit diese „es einmal besser haben“ werden und den Wert einer guten Erziehung und Bildung erkannt haben und daher ihre Kinder – damals wohl fast ausschließlich ihre Söhne; für seine Töchter baute WW ein großes Doppelhaus als Sicherheit  – auf die höhere Schule schicken, das Interesse ihrer nunmehr gebildeten Söhne am Betrieb zu Hause schwindet, soziale und berufliche Distanz wachsen. Keiner der drei Wienpahl-Söhne wollte die Fabrik übernehmen, eine Enttäuschung für den Vater. Zwei wurden Lehrer (einer wird vom Stadtchronisten Friedrich Pröbsting im letzten Absatz des Kapitels „Die Schule der größeren evangelischen Gemeinde”  seiner „Geschichte der Stadt Camen” erwähnt), einer Uhrmacher und Goldschmied und emigrierte in die USA. Als WW 1923 starb, wurde er an der Seite seiner schon acht Jahre zuvor gestorbenen Frau in der Familiengruft beigesetzt. Gemäß ihrem sozialen Anspruch hatten die Wienpahls sich auf dem (damals neuen, heute) alten Friedhof an der Friedhofstraße eine Gruft mit neun Feldern und einem repräsentativen Grabstein gekauft. Inzwischen ist die Gruft längst eingeebnet.

1923 wurde das Fabrikgebäude an einen Kamener Tabak– und Zigarrenhändler verkauft. Das stellte sich als großer Fehler heraus, verlor doch Bargeld, ein sechsstelliger Verkaufspreis, durch die Inflation binnen Wochen jeglichen Wert. Der Käufer hatte das große Geschäft gemacht.

Dieser verkaufte die Liegenschaft aber schon nach wenigen Jahren an die Stadt Kamen, die es mit einem neuen Vorbau versah, mit Seitenrisaliten, einem repräsentativen Zentraleingang, auf dem eine Terrasse die Möglichkeit zu öffentlichen Auftritten bot. Hier war einige Zeit die städtische Bücherei untergebracht. Eine weitere Nutzung erfuhr das Haus, als am 1.10.1954 das Bergamt einzog (unter der Adresse Hammer Straße 13), bis dieses in die Poststraße umzog. Das Gebäude wurde im Zuge des Neubaues des Gymnasiums abgerissen.

Abb. 11 Wilhelm Wienpahl NachfolgebauWilhelm Wienpahls ehemalige Fabrik nach dem Umbau durch die Stadt Kamen Ende der 1930er Jahre

Übrigens wohnte in den 1950er Jahren der Komponist Gerard Bunk, gebürtig aus Rotterdam, Organist an der Reinoldikirche in Dortmund, in der ehemaligen Wienpahlschen Fabrik, im ersten Stock rechts. Er mußte aus Dortmund wegziehen, da seine Wohnung mit all seinem Besitz bei einem der vielen Angriffe auf Dortmund von einer Bombe zerstört worden war. Seine Nachbarn freuten sich über die vielen Privatkonzerte, mit denen Bunk sie bei geöffneten Fenstern unterhielt. Hier wohnte er bis zu seinem Tode 1958.

Als die Nationalsozialisten ab 1933 die Macht auch in Kamen übernahmen, sah man das dem alten Fabrikgebäude an, überall hingen Hakenkreuzfahnen. Ca. 1974 wurde das Gebäude abgerissen. Auf dem Gelände entstand der heutige Parkplatz, der hintere Teil des Grundstücks wurde mit dem Gymnasium und danach einem Kindergarten bebaut. Das war besonders in den 1960er und 70er Jahren der Geist der Zeit. Auch Kamen riß in diesen Jahren viel von seiner alten Bausubstanz ab. Altes mußte Neuem Platz machen, Parkplätze gab es plötzlich überall. Die autogerechte Stadt war das Ideal. Man wollte nicht der Moderne im Weg stehen, sie sogar befördern. Kamen nannte sich „die schnelle Stadt”. Heute wünschen sich viele das Alte zurück.

Auch der Bergbau ist aus Kamen verschwunden, nur wenig erinnert noch an ihn. WW und seine Fabrik sind verschwunden, seine Grubenlampe hat nur noch nostalgischen Wert, nichts erinnert mehr an diesen tatkräftigen und erfinderischen Unternehmer und engagierten Feuerwehrmann. Bloß in der „Geschichte der Stadt Camen und der Kirchspielsgemeinden von Camen“ von Friedrich Pröbsting wird er auf S. 65 erwähnt. Doch seine Stadtgeschichte ist ebenfalls nicht mehr erhältlich. Nur Bohde gibt es noch. Hoffentlich noch lange.

KH