Hanse

Hans-Jürgen Kistner

Die Hanse im Städtedreieck Hamm-Kamen-Unna

Die seit der Römerzeit vorhandenen Handelswege und Rohstoffquellen blieben auch weiterhin aktiv. Die Lippe war zeitweise bis Hamm flußaufwärts befahrbar und diente neben den Straßen als Warentransportweg. Im Mittelalter orientierte man sich mehr in Nord-Süd-Richtung, als zur spätrömischen Kaiserzeit. Das wertvolle Salz aus dem Werler und Soester Raum war schon vor Beginn der römischen Eroberungsversuche ein geschätztes Handelsgut. Die Werler Solequellen wurden schon in vorgeschichtlicher Zeit ausgebeutet.

Nach dem Ende des Weströmischen Reiches bildeten sich neue Herrschaftsstrukturen in der hiesigen Gegend aus. Die Franken und die Sachsen rangen um die Macht. Unter Karl dem Großen kam es zu einem stabilen Staatsgebilde unter fränkischer Regierungsgewalt. Die Herrschaft wurde in allen Bereichen des Territoriums gesichert und strukturiert (einheitliche Gesetzgebung, Grafschaftsverfassung etc.). Dies betraf auch die wirtschaftliche Seite (einheitliche Münzordnung etc.) des Reiches. In der Landgüterverordnung, der Capitulare de villis vel curtis imperii, schrieb Karl der Große den Krongütern genau den Kräuteranbau, die Zucht von Haustieren, den Anbau bestimmter Obstsorten sowie die Dreifelderwirtschaft als Musterwirtschaft vor.

Der europäische Handel im Mittelalter

Im Hochmittelalter stabilisierte sich der mitteleuropäische Nah- und Fernhandel und nahm eine zentrale Funktion an. Zuvor waren nach dem Zerfall der west- und oströmischen Reiche die Mongolenreiche für kurze Zeit bestimmend gewesen. Der Fortschritt lag unter anderem auch in der sich stabilisierenden Zentralgewalt des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“, das sich in Mitteleuropa mit einem Kaiser an der Spitze etablierte. Am Ende des Mittelalters hatte der Seehandel enorm zugenommen und fußte auf der Basis der mittelmeerischen Stadtrepubliken, den flämischen und nach der Befreiung von Spanien bedeutender werdenden niederländischen Städte, sowie dem uns hier interessierenden Hansehandel. Eine Trennung in Nah- und Fernhandel war schon früh vollzogen worden. Selbst in der Jungsteinzeit gab es schon „Fernhandel“, zum Beispiel mit gutem, bergbautechnisch gewonnenem Feuerstein aus der Aachener Region.

Gerade der Fernhandel versprach für die darin tätigen Kaufleute einen guten Gewinn, jedoch mit dem größeren Risiko auf langen Reisen durch unsichere Gebiete von Wegelagerern und Raubrittern belästigt zu werden. Der Nahhandel musste mit geringeren Renditen auskommen. Im Fernhandel dagegen waren die Preisspannen erheblich größer, da es sich dabei um gesuchte Produkte oder Rohstoffe handelte, die es in der Region nicht gab, sich besonderer Wertschätzung und erfreuten unter erheblich größeren Risiken beschafft werden mussten. Hier sind vor allem Leinwand und Wolltuche, Salz und andere Gewürze sowie Erz oder Metallprodukte zu erwähnen. All dies war nicht überall vorhanden bzw. nicht überall von gleich guter Qualität zu bekommen. Im Hochmittelalter stabilisierten sich die Reiche in Europa und der Handel konnte an Bedeutung zunehmen. Vor allem bekommt der Fernhandel damit Auftrieb. Das Städtewesen breitet sich aus und viele Städte entstehen zu dieser Zeit. Die Bewohner der Städte genießen gegenüber dem Umland besondere Privilegien: „Stadtluft macht frei“. Die Städte sind nur ihrem Landesherrn gegenüber abgabepflichtig. Die Kommunen erhöhten die Einnahmen der Landesherren, festigten ihre Macht und schützten das Territorium durch ihre Mauern.

Kennzeichnend für die Entwicklung eines aufkommenden städtischen Selbstbewusstseins im 13. und 14. Jahrhundert war die Entstehung von Städtebünden. Spätestens im 14. Jahrhundert hatten die Städte durch Fernhandel und spezialisiertes Handwerk wirtschaftlich die alten Grafschaften überrundet. Diese wirtschaftliche Bedeutung zeigt sich nicht zuletzt an der Beteiligung westfälischer Städte an der Hanse. Insgesamt beanspruchen heute etwa 80 westfälische Städte und Gemeinden die ehemalige Zugehörigkeit zur Hanse. Freilich war die Qualität dieser Mitgliedschaft höchst unterschiedlich.

In den Städten konnten sich das Handwerk und der Handel besonders frei entwickeln. Die Stadt war geradezu auf den Nah- und Fernhandel angewiesen, um leben zu können. Das platte Land war vornehmlich auf Selbstversorgung eingestellt. Auch die Transportmöglichkeiten für den Fernhandel verbesserten sich. Dies trifft vor allem auf die Seeschiffahrt zu, die immer größere Kapazitäten befördern konnte und sicherer wurde. Ein weiterer Aspekt der zunehmenden Orientierung in den Nord- und vor allem Ostseeraum entstand durch die Ostwanderung. Die Ritterorden breiteten sich bis ins Baltikum aus und nahmen sich Land. Dieser Vorgang wird auch als „Schwertmission“ bezeichnet, da zugleich das Christentum im slawischen Raum eingeführt werden sollte.

Die führende deutsche Stadt im Ostseehandel wurde schließlich Lübeck. Die Stadt liegt an der Trave, einem schiffbaren Fluss, der nach 17 km bei Travemünde in die Ostsee fließt. Dies verschaffte der Stadt einen großen Standortvorteil im aufkommenden Hansehandel. Lübeck soll vornehmlich von westfälischen Kaufleuten mitgegründet worden sein und erhielt daher 1160 auch das Soester Stadtrecht. Dieses Stadtrecht strahlte, nun als lübisches (=Lübecker) Recht, weithin in den Ostseeraum aus. Dieser Zeitpunkt (1160) wird heute von der Hanseforschung als Beginn der Kaufmannshanse (im Gegensatz zur späteren Städtehanse) angesehen. 1161 erhielten die Lübecker Kaufleute, von denen viele aus Westfalen stammten, das Privileg, den bisher im Ostseehandel dominierenden gotländischen Kaufleuten rechtlich gleichgestellt zu werden.

Um 1200 nahm die Bedeutung Lübecks noch weiter zu. Die Stadt wurde Ausgangspunkt für die o. g. Ostkolonisation des Deutschen Ritterordens in Livland (heute etwa mit Lettland und Estland gleichzusetzen). 1226 wurde Lübeck außerdem freie Reichsstadt, was sie von den umliegenden Landesherren unabhängig machte, da sie nur dem Kaiser unterstand. Lübeck wurde so zum Hauptort der Hanse, die sich im Laufe des 13. Jahrhunderts zur Städtehanse wandelte und entwickelte sich zur zeitweilig wichtigsten Handelsstadt im nördlichen Europa. Nicht nur im Ostseehandel, sondern auch im Brügger Hansekontor wie im Londoner Stalhof war der politische Einfluss Lübecks enorm. Ende des 14. Jahrhunderts wurde die lübische Mark zur Leitwährung im Ostseehandel. Die Stadt Lübeck war nach Köln zu dieser Zeit die zweitgrößte Stadt Deutschlands.

Für die märkischen Städte wie Hamm, Kamen und Unna war jedoch nicht Lübeck der Ansprechpartner im Hansehandel, sondern das nahegelegene Soest. Zeitweilig war die Stadt die größte und bedeutendste in Westfalen. Ihr Stadtrecht war das älteste im deutschen Sprachraum aufgezeichnete. Vermutlich stammten die Vorbilder aus der italienischen Lombardei. Soest wurde eine der bedeutendsten Hansestädte im Mittelalter und war Prinzipalstadt im westfälischen Hanseviertel, neben Dortmund, Münster und Osnabrück, was damals zu Westfalen gehörte. Hamm, Kamen und Unna mussten sich in Hanseangelegenheiten an die Stadt Soest wenden, die wiederum in Lübeck Gehör fand.

Die Bedeutung Soests ging  nach der „Soester Fehde“ (1444-1449) stark zurück. Ursprünglich gehörte die Stadt zum Territorium des Herzogtums Westfalen, deren Landesherren die Erzbischöfe von Köln waren. Wie viele Städte im späten Mittelalter, versuchte auch Soest, sich vom Landesherrn unabhängig zu machen. Um seine Eigenständigkeit zu wahren und festigen, unterstellte sich Soest im Laufe des 15. Jahrhunderts dem Schutz von Johann I., Herzog von Kleve, dem auch die Grafschaft Mark (mit Hamm, Kamen und Unna) unterstand. In der „Soester Fehde“ siegte die Stadt mit ihren Verbündeten über die Erzbischöfe, jedoch war dies kein großer Gewinn: Die Stadt war nun von fremdem Territorium umgeben und verlor daher als Handelsstadt an Macht und Einfluss. Sie verfiel zu einer wenig bedeutenden Ackerbürgerstadt. Dieser Vorgang war so dramatisch, dass man heute bei ähnlichen Veränderungen anderer Städte von einer „Versoestung“ spricht. Soest nahm im Jahr 1608 letztmalig an einem Hansetag in Lübeck teil, obwohl das endgültige Ende der Hanse erst 61 Jahre (1669) später erfolgte.

Die Hanse der Kaufleute

Doch nun soll erst einmal die eigentliche Geschichte der Hanse erörtert werden. Der Beginn ist in der Kaufmannshanse zu suchen. Es kommt also im Laufe des 12. Jahrhunderts zu Zusammenschlüssen von Fernhandelskaufleuten, um sich vor Überfällen von Wegelagerern (vor allem „blaublütigen“!) schützen zu wollen. Diese Raubritter, aber auch andere Straßenräuber, stellten damals ein großes Problem für den Warentransport dar. So blieb den reisenden Fernkaufleuten nichts anderes übrig, als sich mit bewaffneten Begleitern zu versehen, um den zahlreichen Wegelagerern zu widerstehen. Oft entschied daher die bessere, weil mächtigere, Begleitmacht. Dies ist der Grund, warum sich eine lockere „Interessengemeinschaft“ entwickelte, die sich um die Belange der Fernhandelskaufleute kümmerte. Das dafür verwendete Wort „Hanse“ hatte die ursprüngliche Bedeutung von „Schar“, „Gemeinschaft“ etc. und war schon sehr früh nachzuweisen, also nicht allein auf den Fernhandel bezogen.

Die Städtehanse

Die Kaufleute, speziell die reichen Fernhandelskaufleute, hatte in ihren Städten einen großen Einfluss. Zum einen gehörten sie dem Patriziat an, das Sitz und Stimme im Stadtrat besaß, zum anderen gehörten sie zur finanziell besser gestellten Oberschicht, was zumeist identisch war. Über ihre familiären Bindungen in der Stadtherrschaft bestimmten sie die Geschicke der jeweiligen Stadt mit. So konnte es nicht lange dauern, bis die Interessen der reichen Fernhandelskaufleute auch die Interessen der Stadt wurden. So bildete sich aus der Hanse der Kaufleute die der beteiligten Städte. Die wirtschaftlichen Interessen deckten sich nun mal. So vertraten nicht nur die Kaufleute auf den Hansetagen ihre Stadt, sondern oft auch die Bürgermeister, die zumeist aus den Kaufmannsfamilien stammten. So waren die Interessen der Kaufleute oft identisch mit den Belangen der Städte, aus denen sie kamen.

Ein Teil des Reichtums aus dem Hansehandel kehrte manchmal auch zurück in die Heimatstadt der Kaufleute, die lange am Ostseehandel beteiligt waren und oft schon über Generationen dort ansässig waren. Zustäzlich zum Kapitaltransfer übertrugen viele Kaufleute einen Teil ihres Vermögens an geistliche Stiftungen ihrer alten Heimatstadt. Berühmtestes regionales Beispiel ist das Altarbild der Dortmunder Reinoldikirche, das durch einen reichen Dortmunder Hansekaufmann gestiftet wurde. Das gilt sicher auch für die anderen westfälischen Hansestädte. Der Stifter blieb in den bis heute überlieferten Quellen leider oft unbekannt. Eine systematische Auswertung der Hansequellen in den Archiven der Ostseestädte würde hier viele neue lokalhistorische und genealogische Erkenntnisse bringen.

Hamm und die Hanse

Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Hamm die größte und volkreichste Stadt in der Grafschaft Mark, denn Hamm war im Mittelalter die Hauptstadt der Grafschaft Mark. Die Stadt war 1226 planmäßig von Graf Adolf I. von der Mark gegründet und zugleich mit Stadtrechten versehen worden. Hier, wie in Kamen, residierten die Landesherren, die Grafen von der Mark, bis sie sich am Ende des 14. Jahrhunderts, nun Herzöge von Kleve, nur noch dort aufhielten. Die Stadt war spätestens seit 1471 Mitglied der Städtehanse. Diese Datierung ist nicht ganz eindeutig. Andere Forscher nehmen die Aufnahme in den Hansebund für das Jahr 1417 an. Hammer Bürger lassen sich aber schon seit 1351 als Hansekaufleute im Ostseehandel nachweisen. Oft sind es hierbei Erbschaftsangelegenheiten, die die Namen überliefert haben. Starb ein Kaufmann fern der Heimat, so wandte sich die Stadt, wo der Kaufmann lebte, an die ehemalige Heimatstadt, um die Erbschaft abzuwickeln. So finden wir 1351 den in Bergen/Norwegen verstorbenen Hammer Kaufmann Hermann Bödecker, 1355 den Kaufmann Sweter Sasse, der in Reval starb. Der Kaufmann Johann Zedeler starb 1438 ebenfalls in Bergen. Als weitere Hammer Kaufleute finden wir in den Quellen: Wilkin 1366 in Rostock, Egbert Röde 1386 in Bergen, Hinrich van Bochem 1436 und Johann van Ruden 1437, beide im norwegischen Bergen. Viele weitere Hammer Namen ließen sich bei der Durchsicht auswärtiger Hansequellen aufführen; wie überhaupt die Hansegeschichte der Stadt Hamm einer ausführlichen Erforschung bedürfte.

Immer wieder taucht der Name Brecht, Brechte oder Brechten in Verbindung mit der Hanse und der Stadt Hamm auf. So reist der Bürgermeister Werner Brechte 1554 und 1556 als Vertreter der Stadt Hamm zum Hansetreffen nach Lübeck. 1554 begleitet ihn außerdem der Ratmann Georg Rödinghausen. Für 1507 ist Rötger/Albert Brechten als Stifter für die St. Agnes-Kirche überliefert. 1512 erfolgte die Weihe des Chores, wo der Name Brechten wiederum erscheint. Zwischen den Jahren 1507 und 1512 erfolgte der Bau der Agneskirche. Anna Rödinghausen, die Ehefrau von Werner Brechten, ist im Hauptschiff der St. Agnes-Kirche 1534 beigesetzt worden. Im Besitz der Kirche befindet sich ein bedeutendes Reliquiar („Agnes-Schrein“) aus dem späten 16. Jahrhundert. Das sehr aufwendig verfertigte Reliquienbehältnis ist weder signiert noch datiert. Es ist aus Silber hergestellt und vergoldet worden. Da das Reliquiar an vielen Stellen der Hammer Überlieferung beschrieben ist und in der Ausstellung zu sehen ist, soll hier auf eine weitere Beschreibung verzichtet werden. Aus dieser Kirche stammen noch zwei Tafelgemälde mit figurenreichen Darstellungen aus der Ursula-Legende. Die Gemälde befanden sich schon Ende des 19. Jahrhunderts in Privatbesitz in Münster, da sie Teil eines Möbels waren.

Solche zumeist kostspieligen Kirchenausstattungen waren oft von reichen Bürgern für das eigene Seelenheil gestiftet worden. Es gibt viele belegbare Beispiele, dass solche Stiftungen von reichen Fernhandelskaufleuten für ihre Heimatstadt angefertigt wurden. Dies versprach neben dem Seelenheil auch noch höchste Anerkennung in der Heimat. Ob das Reliquiar und die Tafelgemälde auch aus dem Hansehandel finanziert worden sind, lässt sich nicht belegen, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch.

Doch kommen wir zurück auf den eigentlichen Hammer Handel zur Zeit der Städtehanse. Der Verkehr auf der Stufe der mittelalterlichen Stadtwirtschaft spielte sich in engen Grenzen ab. Die Landbevölkerung, die an den Wochenmärkten in die Stadt kam, war auf die Produkte der städtischen Handwerker und Kaufleute angewiesen. Sie konnte bestenfalls eigene Überschüsse in der Stadt absetzen. Die Handwerker in der Stadt arbeiteten fast nur für die Hammer Bürger und für das Umland. Auf dem Land war das Handwerk fast nicht vertreten, da es dem städtischen Zunftzwang unterworfen war. An den Wochenmarkttagen kamen die Händler aus den Nachbarstädten und auf den beiden Jahrmärkten im Jahr auch Kaufleute aus weiterer Ferne und bezogen damit die Stadt in den Fernhandel ein. Neben den Kaufleuten, die sich mit dem regionalen Handel begnügten, kamen auch solche, die sich aus der Enge des regionalen Handels lösten und im damaligen „Welthandel“ versuchten. Sie interessieren uns im Rahmen des Hansehandels besonders.

Dieser Fernhandel konnte sich nur auf die Produkte beziehen, über die die Kaufleute verfügen konnten und die in der Ferne auch begehrt waren, bzw. einen Ruf hatten. Dies galt es evtl. auch erst einmal zu gestalten. Das war sicher eine der wichtigsten Missionen der Fernkaufleute, nämlich ihre (wenigen) Handelsgüter erst einmal bekannt und damit begehrt zu machen. Spätere Hansekaufleute mussten sich damit nicht mehr abmühen und nur noch für den regelmäßigen Nachschub sorgen. Natürlich war es den Fernhandelskaufleuten leichter, wenn sie die Produkte verhandelten, die schon in der Region einen guten Ruf hatten. Für Hamm waren dies vornehmlich drei Handelsgüter: der „Hämmische Koit“, ein Bier, das sich einer besonderes großen Beliebtheit erfreute. Die „Hammschen“ Tuche als Wollprodukte. Letztendlich noch das in der Region stark produzierte Leinen, welches jedoch einen besonderen Ruf hatte. Darüber hinaus war es das Salz der Region um Soest, vor allem aber das qualitativ beste aus Werl, das im Nord- und Ostseeraum sehr begehrt war. Man benutzte zur damaligen Zeit Salz auch häufig zur Konservierung von Lebensmitteln. Hier sind vor allem die eingesalzenen Heringe aus der Ostsee zu nennen, die dann wieder nach Westfalen und anderswo geliefert wurden.

Nachdem die Bedeutung der Prinzipalstadt Soest für die westfälischen Hansestädte so enorm zurück gegangen war, übernahm Hamm 1549 diese Funktion für die Städte der Grafschaft Mark. Dies erklärt auch die oben genannten Reisen der Hammer Bürgermeister und Ratsherren zu den Hansetreffen nach Lübeck (z. B. 1554 und 1556).

Der „Hämmische Koit“

Was war nun dieses berühmte Bier, der „Hämmische Koit“, der weit über die Grenzen Hamms hinaus bekannt und beliebt war? Koit oder Keut ist ein dickflüssiges süßliches Bier, das bereits im 14. Jahrhundert aus Malz von Hafer und Gerste unter Zusatz von Weizenmehl gebraut wurde. Es soll in Holland entwickelt worden sein und verbreitete sich schnell bis in den niederdeutschen Raum. Erst zum Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich hier das Hopfenbier durch und löste den Koit ab. Auch im englischsprachigen Raum gab es diese Unterscheidung: einmal das dem Koit ähnliche „Ale“ und das später aufkommende „Beer“, das mit Hopfen gebraut wurde. Bier gehörte im Mittelalter zu den Grundnahrungsmitteln. Man darf sich den Alkoholgehalt nicht so hoch wie heute vorstellen (ca. 5 % Vol.), obwohl es auch Alkohol enthielt. Bier war als tägliches Getränk schon deshalb so beliebt, da es im Mittelalter schwer war, nur allein sauberes Trinkwasser zu bekommen. Von der stimulierenden Wirkung des Alkohols einmal abgesehen.

Das Bierbrauen hatte in Hamm wie andernorts eine lange Tradition. Bereits im Jahr 1444 ist in den Annalen der Stadt Hamm nachzulesen, dass den Bäckern und Brauern das Gewerbemonopol für Bier und Brot im damaligen Amt erteilt wurde. Die Verbindung von Brauern und Bäckern war nicht zufällig. Zu den Zutaten gehörten auch Brotreste, ähnlich dem nichtalkoholischen heutigen „Brottrunk“ einer Lünener Bäckerei. Die Bäcker damals waren oft auch Brauer, gerade wegen dieser Zutaten.

Im Jahr 1722 gab es in Hamm neben neun gewerblichen Brauereien noch 61 Braustellen in Bürgerhäusern, in denen dieses vielgerühmte Bier produziert wurde. Auch in Kamen und Unna wurde der Koit zumeist von den Bäckern gebraut. Den guten Ruf, den der „Hämmische Koit“ besaß, hatten diese Biere jedoch nicht. Die Brautradition der Hammer Biere setzten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zwei große Brauereien fort: bis 1769 lässt sich die Isenbeck-Brauerei zurück verfolgen, bis 1735 gar die Kloster-Brauerei Pröpsting. Die Ursprünge dieser Brauerei sind wahrscheinlich im alten Franziskaner-Kloster im Bereich der St.-Agnes-Kirche hinter dem Klosterdrubbel zu finden. Beide Brauereien bestehen heute nicht mehr. Sie wurden von einer großen Brauerei aufgekauft, die das Isenbeck-Bier weiterproduziert.

Johann Kayser, Rektor der Lateinschule in Lippstadt, seit 1683 Pfarrer in Kleve, dichtete auf die Stadt Hamm und ihr Bier 1698 folgende Zeilen:

„Hamm ist der kleine Haag, das Markbein in der Mark,

Hamm ist der Musensitz, da sind die Leute stark.

Hamm gibt uns guten Fisch, Hamm gibt uns gute Schinken,

Hamm gibt vor wenig Geld den besten Keut zu trinken.“

Gleich nach dem „Hämmischen Koit“ waren Textilgewebe die weiteren Ausfuhrgüter der Hammer Kaufleute. Vor allem hatte die Hammer Leinwand einen guten Ruf. Noch 1722 galt sie als das häufigste Ausfuhrgut der Stadt Hamm. Gute Leinwand wurde auch von den Leinewebern der Stadt Kamen produziert. Sie blieb, neben den Lederwaren (v. a. Schuhe), das beliebteste Produkt aus der Sesekestadt Kamen. Das Bleichen der Leinwand war für den Hansehandel noch nicht üblich. Diese neue „Mode“ kam erst im 18. Jahrhundert in Holland auf und wurde dann auch in Westfalen übernommen.

Nach der Leinwand kamen gleich die „Hammschen“ Tuche, die aus Wolle waren, für den Hansehandel in Betracht. Fast alle Gewebe unterstanden einer strengen Kontrolle. Für das „Hammsche“ Tuch war die Legge in Osnabrück zuständig. Durch die strenge Leggekontrolle, die ihnen untadelhafte Qualität bescheinigte, hatte sie einen hervorragenden Ruf in Flandern und im Norden Europas. Die Erfolge des Fernhandels mit den städtischen Produkten hingen also von der gleichbleibenden Qualität des Handwerks in der jeweiligen Stadt ab. Nicht der Name des Produzenten, sondern der Name der Herkunftsstadt sorgte für Erfolg oder Mißerfolg im Fernhandel und vor allem im Hansehandel.

Das Ende der Städtehanse

Im Laufe des 16. Jahrhunderts war das Ende des Bundes der Hansestädte eingeläutet. Das Ende sollte 1669 kommen. Neue Strukturen, Produktströme, Länder (wie Amerika) und logistische Umorientierungen machten sich bemerkbar. War im Hochmittelalter die Blüte der Hanse, so machte sich die Neuzeit mit ihren neuen Werten rasch bemerkbar. Hinzu kam die neue Handelsmacht der Niederlande, die seit der Befreiung vom spanischen Joch und dem damit verbundenen Aufkommen der holländischen „Ostindische Kompanie“ (gegr. 1594), die Handelsmacht der Hanse bald überflügelte. Aber auch andere Mächte, wie England, verlagern ihren Handel zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf Asien. Das Ende der Hanse war also nicht mehr weit. 1669 traf man sich zum letzten Mal in Lübeck, um das Ende der Hanse zur Kenntnis zu nehmen.

Zur Rezeption des Hanse-Begriffes

Der Begriff „Hanse“ oder „Hansa“ ist auch heute noch allgemein gebräuchlich, obwohl es die Hanse schon rund 340 Jahre nicht mehr gibt. Doch die Übernahme des Wortes „Hanse“ verleiht dem Produkt, der Korporation und dem Gemeinwesen Seriosität, Erfolg und Statik. Die verschiedensten Ebenen bieten sich für die Rezeption an: ein Bier, Vereine, öffentliche Einrichtungen wie Schulen etc. Auch der erfolgreiche Fernhandelskaufmann und zugleich der Bewohner einer Hansestadt, der „Hanseat“, haben Klang und Bedeutung. Auch ist die „Hansastraße“ in etlichen Städten vertreten. Vier Städte: Hamburg, Bremen, Lübeck und Rostock führen in ihren Kfz-Kennzeichen das „H“ als Hinweis auf ihre ehemalige Bedeutung als führende Hansestadt. Selbst die wichtigste deutsche Fluggesellschaft, die „Lufthansa“, trägt seit der Weimarer Zeit diesen Namen.

Der Begriff „Hanseat“ war ursprünglich die Bezeichnung für jeden Bürger einer Hansestadt. Nach dem Untergang der Hanse im 17. Jahrhundert wurde deren Tradition am ausgeprägtesten von den drei Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck fortgeführt, die sich in einem Vertrag von 1716 zusammenschlossen. Sie übernahmen anderthalb Jahrhunderte später den Begriff „Hansestadt“ in ihre Staats- und Stadtnamen. In den Bewohnern dieser Städte werden heute ungeachtet weiterer Hansestädte die Erben jenes Städte- und Kaufmannsbundes gesehen, mit denen der Begriff eines Hanseaten verbunden ist.

Dabei werden als „Hanseaten“ keineswegs alle gebürtigen oder gar eingemeindeten Stadtbürger verstanden. Vielmehr findet eine Einschränkung auf jenen Kaufmannsstand statt, der dem „Hanseatischen“ seinen Nimbus verleiht. Der Kaufmannsstand war in den Handelsstaaten stets der erste, am meisten geachtete und vorherrschende Stand. Wer nicht zu den Kaufleuten gehörte, musste mindestens Rechtsgelehrter oder Hauptpastor sein, um den hanseatischen Ehrentitel beanspruchen zu können. „Hanseat“ war und ist weniger eine genaue Definition, als vielmehr ein von den „Hanseaten“ selbstgewählter, der ihnen zugewiesenen Ehrentitel. – „Was bedeutet es letztlich schon, Hanseat zu sein? Und doch weiß jeder, was gemeint ist.“