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Pfarrer Gerhard Donsbach

von Klaus Holzer


 Wenn es im Gedächtnis der Kamener Protestanten einen Pfarrer gegeben hat, der als prägende Figur in Erinnerung geblieben ist, dann wohl Gerhard Donsbach. Generationen von Kamenern hat er getauft, konfirmiert, getraut und zur letzten Ruhestätte begleitet, ihre Kinder und Kindeskinder. Jahrzehntelang. Von 1933 bis 1975.

Donsbach Barett Photo 1 Kopie Gerhard Donsbach,  12. Mai 1905 – 3. Dezember 1996 (Photo: HA)

Das war nicht von Anfang an klar, als er am 1. Februar 1932 als Hilfsprediger hier ankam. Doch schon ein Jahr später, am 19. Februar 1933, wurde er durch Superintendent Carl Philipps in der Pauluskirche ordiniert, mitten in der Zeit, wo sich Deutschlands Schicksal entschied. Und es war sicherlich ein gutes Zeichen, daß er von Philipps ordiniert wurde, der als Anhänger der Bekennenden Kirche sich treu blieb und sich nicht den Deutschen Christen anschloß, einer den Nationalsozialisten nahestehenden Ausformung der Kirche. So konnte sein Nachfolger Manfred Nemitz 1975 sagen: „Gerhard Donsbach war eine bestimmende Konstante dieser Stadt. Er hat sein Mäntelchen nie nach dem Winde gehängt.“

Am 1. Dezember 1933 übernahm er die Vierte Pfarrstelle  der Evangelischen Kirchengemeinde Kamen, die Kamen-Ost, Lerche, Rottum und Derne umfaßte. Während des Krieges mußte er auch Vertretungen in Unna übernehmen, wo er alle 14 Tage Gottesdienst in der Stadtkirche hielt, außerdem kirchlichen Unterricht und alle kirchlichen Amtshandlungen in Königsborn, Afferde, Massen und Obermassen.

Als es 1937 zur Spaltung des Presbyteriums zwischen Anhängern der Bekennenden Kirche und Deutschen Christen kam, verhielt Donsbach sich „diplomatisch“, wie es einer seiner Weggefährten ausdrückte, der Kirchenarchivar Wilhelm Wieschoff, wiewohl er mit der Bekennenden Kirche sympathisierte. Wie sehr er als Persönlichkeit und Kollege die Achtung auch der Anhänger der Deutschen Kirche genoß, spiegelt folgende Anekdote: Ende der 1930er Jahre wollte die Gestapo Donsbach im Konfirmandenunterricht verhaften. Er hätte nichts dagegen tun können. Da kam ausgerechnet vom Amtskollegen Kochs, einem Deutschen Christen, Hilfe. Er vertrieb die Gestapo mit Hilfe seines goldenen Parteiabzeichens. Und Donsbach konnte sich revanchieren. Als Kochs nach dem Krieg schon fast auf dem Transport-Lkw der Alliierten in Richtung Internierungslager saß, vermochte er ihn umgekehrt da herunter zu holen. Und noch eine Geschichte wirft ein Schlaglicht auf den Menschen Gerhard Donsbach. Ein Kamener hatte ihn im Konfirmanden-unterricht als Hitlerjunge wegen seines Bekenntnisses ständig gepeinigt. Und ganz spät, kurz vor seinem Tod, quälten ihn seine Gewissensbisse so sehr, daß er wieder in die Kirche eintrat.

Da in den späteren Kriegsjahren wegen Fliegeralarms oft keine Busse fuhren, mußten alle notwendigen Fahrten in seine vielen Gemeinden mit dem Fahrrad unternommen werden. Während des Krieges gab es Eilbegräbnisse in aller Frühe, und selbst zu dieser Tageszeit schon unter Beschuß der angreifenden Tiefflieger. Gerhard Donsbach bewältigte alles das nicht nur, ohne zu murren, sondern ging in seinem Amt auf. Was seine Kamener Heimatpfarrei anging – da war er ein lebendes Lexikon. Er kannte jeden, mit Namen und Beruf.

Daß er nie einen Führerschein besessen hatte, führte immer wieder zu kuriosen Situationen, weiß sein Nachfolger, der heutige Superintendent Martin Böcker, zu berichten, der ihn oft zu einem Ziel kutschierte: „Er wollte oft schon unterwegs aussteigen oder hatte sich hoffnungslos im Gurt verheddert.“

Das Pfarrhaus an der Hammer Straße ist ein würdiger Bau, der stark an englische Häuser des gothic style erinnert, dunkler violett-roter Ziegel. Hier saß die Familie 1947 mit Freunden zusammen, als an der Kellertür Geräusche zu hören waren. Jeder dachte sofort an Einbrecher. Gerhard Donsbach sprang als erster auf, unerschrocken nach der Feuerklatsche greifend, zur Verteidigung und Abwehr schreitend. Die anderen griffen, was da stand und lag, darunter eine Mistgabel. Als man sich der Kellertreppe näherte, löste sich die Spannung in Lachen auf. Da stand ein Pferd, das offenbar von der benachbarten Wiese des Pferdemetzgers Weber ausgerissen war.

Nach dem Krieg hat er zusätzlich zur eigenen Pfarrei noch zwei vakante Pfarreien, die erste und die dritte, mit verwaltet. Nebenher baute er kriegsbeschädigte, gar zerstörte kirchliche Gebäude wieder auf. Die Pauluskirche war von zwei Bomben getroffen worden, der Turmhelm schwer beschädigt.  Um alles kümmerte er sich selber. Doch damit war es noch nicht genug. In der Nachkriegszeit mußte erst alles wieder ans Laufen gebracht werden: das kirchliche Sonntagsblatt „Friede und Freude“ für Kamen, Heeren-Werve und Bergkamen mußte redigiert werden, der Kirchenchor brauchte einen Vorsitzenden, die Frauenhilfe mußte wiederaufgebaut werden, Gemeindebibelstunden wurden gewünscht. Gerhard Donsbach war zur Stelle. Und nebenher schrieb er noch die Geschichte seiner geliebten Kapelle Lerche auf, mit der Hand. Anläßlich seines 50. Ordinationsjubiläums sagte er selber: „Aus heutiger Sicht habe ich vieles falsch gemacht, aber meine Arbeit hat mir immer viel Freude bereitet. Ich habe vieles lernen dürfen, und Gott hat mir bei meinen Aufgaben Kraft gegeben.“

Seine Verabschiedung aus dem Dienst war am 30. Mai 1975. In allen diesen Jahren stand ihm seine Frau Luise treu zur Seite. Perfekt füllte sie die klassische Rolle der evangelischen Pfarrersfrau aus, wie sie sich in den Jahrhunderten nach Luthers Reformation entwickelt hatte. 1937 heirateten Gerhard und Luise, und von dem Tag an übernahm sie den Singekreis der Gemeinde, war 60 Jahre lang Vorsitzende der Frauenhilfe.

Natürlich war der 19. Februar 1983 ein großer Tag für die Kamener evangelische Gemeinde, der Tag des 50jährigen Ordinations-Jubiläums von Pfarrer i.R. Gerhard Donsbach. Das wurde mit einem Festgottesdienst in der Pauluskirche begangen, anschließend gab es ein Kaffeetrinken im  evangelischen Gemeindehaus. Und alles, was Rang und Namen in der evangelischen Kirche von Westfalen hatte, war da. Ein Erinnerungsalbum an diesen Festtag ist voller Glück– und Segenswünsche. Nicht nur einer Handschrift sieht man an, daß der Schreiber hohen Alters ist, langjähriger Wegbegleiter. Und selbst einige der ersten Konfirmandinnen von 1933 waren gekommen, die in einem herzlichen Schreiben „Rückschau auf 50 Jahre Freud und Leid“ hielten. In altdeutscher Schrift betonen sie, daß Pfarrer Donsbach immer ihr „treuer Pfarrer“ war. Superintendent Meier hob vor allem seinen Einsatz im alltäglichen Dienst hervor. Selbst das Ergebnis der Kollekte anläßlich dieses Tages läßt die hohe Wertschätzung des Jubilars erkennen. Sie erbrachte DM 1188,-.

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Gerhard Donsbach mit seiner Ehefrau Luise bei seinem 60. Ordinationsjubiläum 1992 (Photo: Privat)

Wenn man ihn sah, mit strengem Blick, buschigen Augenbrauen, förmlich gekleidet, nie nachlässig, wirkte er eher distanziert. Wir Kinder hatten einen Heidenrespekt vor ihm. Ein früheres Presbyteriumsmitglied, das mit ihm zusammengearbeitet hat, erzählt, daß Gerhard Donsbach ihm der liebste aller damaligen Kamener Pfarrer gewesen sei. Wenn er am Sonntag nach dem Gottesdienst das Geld aus dem Klingelbeutel gezählt und sortiert habe, kam Donsbach immer dazu und half. Und er kam immer dazu, weil er seine Predigten nie überzog, immer waren sie angemessen kurz, aber klar und auf den Punkt. Man hörte gern zu, weil man ihn verstand. Berühmt war er auch für seine volksnahen Sprüche– und Liedtextsammlungen, die er gern für seine Predigten nutzte. Und er war warmherzig und seiner Gemeinde nah. Dem Zeitgeist war er nie erlegen. Er blieb immer er selbst.

Donsbach Grab 3

Photo: KH

Am 3. Dezember 1996 starb Pfarrer Gerhard Donsbach in Kamen im Alter von 91 Jahren. Seine Frau Luise folgte ihm, hundertjährig, 17 Jahre später. Sie liegen beide nebeneinander begraben auf dem alten Kamener Friedhof.

KH

Nach der Veröffentlichung dieses Artikels meldete sich eine interessierte Leserin, Elke Jaeger aus Lerche, die eine sehr erhellende Anekdote über Pfarrer Gerhard Donsbach beitragen konnte.

Auch wenn Lerche heute ein Stadtteil von Hamm ist, seine Kirchengemeinde gehört seit Jahrhunderten zu Kamen, Kirchenkreis Ost, für den Pfarrer Donsbach in den 1960er Jahren zuständig war. Die kleine Elke, damals noch Nüsken, erinnert sich an den Pfarrer als einen strengen Mann, vor dem sie, wie alle Kinder damals, große Ehrfurcht empfand.

Elkes Mutter war früh gestorben, so daß Vater Nüsken als Witwer mit drei kleinen Kindern dastand, und das auf einem Bauernhof. Wie sollte das gehen? Er lernte eine andere Frau kennen, die sehr herzliche Klara Löer, die zwar selber einen Sohn hatte, aber gleichzeitig auch den Kindern Vater Nüskens eine gute Mutter war. Alles paßte. Also beschloß man, zu heiraten. Aber es gab ein Problem: Nüskens waren evangelisch, Klara Löer aber katholisch! Was uns heute vielleicht mittelalterlich anmutet, war damals ein echtes Problem, eine sogenannte Mischehe. Es war eine Zeit, wo Kinder denen der anderen Konfession noch Schmähverse hinterherriefen, wo man sich auch schon mal „kloppte“, wo es noch Priester und Pfarrer gegeben hat, die die jeweils andere Konfession als „vom Teufel“ bezeichneten.

Herr Nüsken und Frau Löer gingen zu ihrem Pfarrer Donsbach und trugen ihm ihr Anliegen vor. Bei wie vielen Pfarrern wären sie abgeblitzt? Anders Gerhard Donsbach: am 30. Januar 1960 erteilte er dem Paar den kirchlichen Segen. Für ihn war das menschliche Glück wichtiger als kirchliche Richtlinien, und er sah, daß in dieser neuen Familie alle miteinander glücklich waren. Aber er hatte doch noch etwas in petto. So wie er für seine volksnahen Sprüche bekannt war, so hatte er doch auch seinen ganz persönlichen Humor. Als Trauspruch wählte er aus: „Alle Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5, Vers 7)

KH

Der KKK fragt … Teil 8

In dieser Folge von „Der KKK fragt …“ stellen wir kein Photo vor. Dieser Frage liegt ein Zufall zugrunde. Bei einem Besuch im Archiv der Stadt Kamen entdeckte ich rein zufällig die Sonderbeilage der WR zur 700-Jahr-Feier der Stadt Kamen vom 27. Juli 1948.

(Nebenbei bemerkt: Diese Feier fand zum falschen Zeitpunkt statt. Kamen erhielt seine Stadtrechte erst im Jahre 1284, nicht 1248. Es handelte sich um einfachen Zahlendreher. Allerdings erwies sich die Veranstaltung als sehr geeignet, um der nach dem Krieg noch teilzerstörten Stadt und der darniederliegenden Wirtschaft einen kräftigen Schub zu geben. Und es half enorm, daß fünf Wochen vorher durch die Währungsreform die Deutsche Mark eingeführt worden war.)

Auf Seite 3 dieser Beilage steht ein kleiner Artikel, der jeden, der sich mit der Kamener Geschichte beschäftigt, mit Begeisterung erfüllen muß. Ich zitiere auszugsweise:

Die Brille des Herrn Dr. Buxtorf

… So zeigt die Geschäftsstelle der „West. Rundschau“ auf der Weststraße in ihrem Schaufenster ein uraltes Monstrum von einer Brille samt Futteral, ein kleines halb vermodertes kunstvoll geschnitztes Holzkästlein und einen schweinsledernen Folianten. Diese Dinge sind jedoch kein wertloser Plunder, sondern unter dieser Brille , von der man kaum annehmen sollte, daß jemand etwas dadurch zu sehen vermag, hat der größte Kopf Kamens (bildlich gesprochen) studiert: Professor ling. hebr. Dr. Johann Buxtorf, der 1554 (sic!) als Pastorensohn in Kamen geborene berühmte Sprachgelehrte. Kein Wunder, daß das Brillengestell da eine etwas vorsintflutliche Form hat! Das Holzkästchen ist übrigens seine Schupftabaksdose gewesen und der Foliant stellt eines seiner Bücher über die hebräische Sprache dar. …

Die 700-Jahr-Feier fand vor 67 Jahren statt und viele Kamener wird es nicht mehr geben, die sich an sie noch mit vielen Einzelheiten erinnern können. Doch einen Versuch sei es allemal wert. Daher die Fragen:

1. Wer erinnert sich an dieses Ausstellungsstück in der Geschäftsstelle der WR?

2. Wer weiß, wo es herstammt? Oder gar, wo es sich befindet?

2. Wer hat es, womöglich ohne zu wissen, worum es handelt, eine solche Brille in einem solchen Kästchen zu Hause ineiner Schublade oder auf dem Dachboden?

PS: Auf der Ecke, wo die Kampstraße in die Weststraße einmündet, stand bis zum Ende des 19. Jh. das Geburtshaus von Johannes Buxtorf (25.12.1564 – 13. 9.1629), dem sicherlich bedeutendsten Gelehrten, den Kamen je hervorgebracht hat.

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Johannes Buxtorf (der Ältere), am 25. Dezember 1564 in Kamen (Westfalen) als Sohn eines Predigers geboren, ging in Hamm und Dortmund zur Schule, studierte in Marburg, Herborn (1585-88), Heidelberg und Basel (1588-90), wurde 1590 Magister und Professor der hebräischen Sprache (er ist der Begründer der philologischen Hebraistik) in Basel. Dort wurde er der „Stammvater einer ruhmreichen Gelehrtenfamilie“, jeden Ruf an andere Universitäten (z.B. Leyden) lehnte er ab. Buxtorf starb am 13. September 1629 in Basel an der Pest.

Erfahren Sie hier mehr über Johannes Buxtorf!

KH

Der KKK fragt … Teil 7

Der ehemalige Kamener Stadtarchivar Jürgen Kistner besitzt ein umfangreiches Archiv, das er immer wieder einmal durchforscht. Dabei ist ihm das angefügte Photo in die Hände gefallen, das jedoch große Rätsel aufgibt.

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Vermutlich ist es nach 1900 entstanden. Es zeigt eine sich lang hinziehende Fabrikanlage, neben der links ein hoher Kamin steht, vermutlich gehörte er zu einer Ziegelei, von denen es bei uns um diese Zeit recht viele gab. Das Gebäude rechts neben dem Kamin ist markant, vielleicht hilft es, den Ort zu identifizieren. In der Mitte verläuft ein Weg, der auf eine Unterführung zuläuft. Was auf dem darüber führenden Damm ist, ob ein anderer Weg, ist nicht zu erkennen. Durch die Bildmitte läuft eine Reihe Pfosten, an denen vielleicht ein Zaun befestigt werden soll. Davor sieht man Bahnschienen, vielleicht eine Feldbahn, die zu der Fabrik oder zur Zeche gehört? Davor ist die Erde aufgewühlt, offenbar sind umfangreiche Erdarbeiten im Gange.

Wer kann helfen, die Lage zu bestimmen?

KH

Kultur Route Kamen

Endlich ist der erste Schritt getan. Nach langer Vorlaufzeit und Verzögerungen durch unvorhergesehene Schwierigkeiten ist das erste Schild der neuen Kultur Route Kamen heute, 29. Oktober 2015, angebracht worden.

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Im Bild (von links nach rechts): Gastwirt Ullrich Neumann, Klaus Holzer KKK, Reimund Kasper KKK, Hans-Jürgen Kistner KKK

Schon vor fast zwei Jahren faßte der KKK den Entschluß, auf historisch bedeutsame Stellen in Kamens Westen, Methler, durch Informationstafeln aufmerksam zu machen. Man konnte sich schnell auf folgende Orte einigen:

  1. Bahnhof Kamen (Schild vorhanden; Ausgangspunkt der Route)

2. Seseke-Körne-Winkel

3. Berger Mühle

4. Wasserkurler Körnebrücke

    5.  Schulze Beckinghausen, Westick

6. Sportzentrum Kaiserau

7. Sektion VIII in Kaiserau

8. Lutherplatz in Methler

9. Technopark in Kamen (von dort zurück zum Bahnhof)

Mit Hans-Jürgen Kistner verfügt der KKK über den Kenner der Kamener Stadtgeschichte. Er machte sich gleich daran, die entsprechenden Texte zu verfassen und aussagekräftige Photos aufzutreiben. Reimund Kasper, der bekannte Kamener Künstler, gestaltete die Tafeln . Die anderen beiden Mitglieder des KKK übernahmen es, das notwendige Geld zu beschaffen und, in Kooperation mit dem ADFC Kamen, die Streckenführung auszuarbeiten, sollten doch Straßen vermieden werden.

Die Kultur Route Kamen-West ist als Rundkurs angelegt und folgt der vorhandenen Radwege-Beschilderung des Lippeverbands. Damit man der Kultur Route folgen kann, wird ein demnächst anzubringendes Logo den Weg weisen. Ausgangspunkt in Kamen ist zwar der denkmalgeschützte Bahnhof, doch kann man überall einsteigen und seine individuelle Teilstrecke wählen. Der Kurs ist leicht zu fahren und auch für Familien mit kleinen Kindern geeignet.

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Stolz auf die neue Informationstafel: Gastwirt Ullrich Neumann

Nach Abschluß des Teils West wird es den Teil Kamen-Ost geben, der Heeren-Werve auf die gleiche Weise erschließen soll. Dann ist es möglich, Kamen auf historischem Pfad ganz zu umrunden.

Ein die Kultur Route Kamen begleitendes Faltblatt ist in Arbeit und wird allen Interessierten wertvolle Hinweise zur Geschichte ihrer Heimat geben.

Zur vollständigen Finanzierung werden noch Sponsoren gesucht. Spenden können auf das Konto des Fördervereins des Kamener Museums, IBAN DE 27 4435 0060 1800 0390 99 bei der Sparkasse UnnaKamen, Stichwort: KKK, überwiesen werden. Der Förderverein stellt steuerlich wirksame Spendenquittungen aus (bitte Spenderadresse deutlich angeben).

KH

Der KKK fragt … Teil 5

Bei einer Stadtführung sagte der hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek, seine Oma habe ihm gesagt, früher sei die Kirmes oft auf dem Edelkirchenhof abgehalten worden. Doch keiner konnte das bestätigen. Stimmt das?

Der Edelkirchenhof liegt auf dem Gelände zweier ehemaliger Burgmannshöfe, dem Haringhof und dem Reck-Palandschen Hof. Beide Burgen wurden Anfang des 14. Jh. gebaut und waren für den Schutz des Westen– bzw. des Kämertores zuständig. Der Haringhof wurde 1912, der Reck-Palandsche Hof 1925 abgerissen. Das gesamte Areal wurde im Zuge der weitreichenden Umgestaltung der Stadt im Westen durch Baurat Reich – Kanalisierung und Eindeichung der Seseke, Anlage von Post– und Koppelteich, Bau der Koppelstraße mit Flußbrücke – vollständig neu gestaltet. Es entstand eine geometrisch geformte Parkanlage, die Vorläuferin des heutigen Parks.

13. Edelkirchenhof

Hier noch eine neuere Form der Gestaltung:

Mail-Anhang

Wer weiß, ob es hier Kirmessen 13. Edelkirchenhof oder auch Zirkusveranstaltungen gegeben hat?

KH

Der KKK fragt … Teil 4

Kamen hat die meisten seiner Denk– und Mahnmale verloren: das Löwendenkmal vor der Pauluskirche 1946, die Sedansäule auf dem alten Markt 1956, den Gedenkstein für den VfL-Gründer Carl Hammacher vor der alten VfL-Turnhalle, den Kaiser-Wilhelm-Gedenkbrunnen am Stadtpark, den Gedenkbrunnen im alten Rathaus.

Das Photo zeigt die Einmündung des Sesekedamms auf die Bahnhofstraße. Die Villen im Hintergrund am Mühlen(tor)weg und dem Sesekedamm wurden Mitte der 1930er Jahre erbaut. An der Stelle, wo heute das Mahnmal für die 1953 noch in der Sowjetunion gefangenen Wehrmachtsoldaten von Otto Holz steht, stand einmal eine Rakete oder Bombe, mit der Spitze nach unten gerichtet. Auf der Schauseite ist eine längere Inschrift zu erkennen. Es liegt nahe, dieses „Denkmal“ in die Kriegsjahre zu legen.

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Und hier der Ausschnitt:

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Wer weiß etwas darüber?

KH

 

Der KKK fragt … Teil 3

Das letzte Mal präsentierte der KKK das Photo eines jungen Paares, das offensichtlich in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte, in der für die Zwischenkriegszeit typischen Wohnküche mit Herd und Bett. Heute haben wir das Photo einer bürgerlichen Familie, und der Kontrast könnte kaum größer sein.

Der Mann ist das, was man wohl „stattlich“ nannte. Er trägt einen „kaiserlichen“ Schnurrbart, an der linken Hand einen schweren Ring und über dem Embonpoint eine auffällige Uhrenkette. Eisen und Schlägel weisen darauf hin, daß er eine herausgehobene Position im Bergbau bekleidete. Aus seiner Miene und der Körperhaltung sprechen Stolz und Selbstbewußtsein.

In merkwürdigem Kontrast dazu steht die Persönlichkeit der Frau. Sie schaut etwas verschüchtert drein, ihr Blick ist nicht in die Kamera gerichtet, sondern in eine ungewisse Ferne. Sie wirkt eher resigniert als stolz. Ihr schweres schwarzes Kleid ist das Kleid einer gutbürgerlichen Frau.

Das Baby trägt das typische Kleidchen, wie man es in der Kaiserzeit sowohl Jungen wie auch Mädchen anzog. Das wohlgenährte Gesicht könnte einer Zwieback-Reklame entstammen.

Um die Familie herum finden sich Attribute bürgerlichen Wohlstands: der wohldressierte Hund liegt den Herrschaften zu Füßen auf einem (Wolfs?)fell, reich geschnitzte Möbel links und rechts runden die Szene ab.

Aus der Unterzeile ergibt sich, daß das Photo von Ernst Brass gemacht wurde. Ernst Brass war der erste Photograph, der sich in Kamen niederließ. 1893 kam er hierher, zuerst einmal, um herauszufinden, ob er hier wohl sein Geschäft mit einiger Aussicht auf Erfolg würde eröffnen können. Diesen Besuch hat er in einem heute noch lesenswerten Bericht beschrieben.  Ernst Brass wurde ein prominenter Kamener Bürger, der u.a. auch lange Zeit das Stadtarchiv  betreute. Er betrieb seinen Laden bis 1934, als Konrad Holzer ihn übernahm, und jahrzehntelang alle Schulanfänger, Kommunions– und Konfirmationskinder, Hochzeiten, ob grün,silber oder gold, photographierte. Und die allermeisten Kamener bekamen hier auch ihre Paßphotos. Es gab wohl kaum einen Kamener Haushalt, in dem es nicht Photos gab, die erst Ernst Brass, dann Konrad Holzer gemacht hatten.

Wer weiß Genaueres über diese Familie?

Mann mit Uhrkette

 

KH

Der KKK fragt … Teil 2

Ein Photo, das die typischen Wohnverhältnisse eines Arbeiterhaushalts zwischen den Kriegen wiedergibt: Mansarde, Wohnstube mit Bett und zwei Küchenschränken, vorn links ist gerade noch der Henkel eines Kessels zu erkennen, der auf dem Küchenherd steht; es handelt sich um ein junges Paar aus dem Arbeitermilieu; die Frau erscheint deutlich jünger, wohlgenährt; er wirkt älter, wirkt verbraucht, vielleicht ist er Bergmann. Links hinter der Frau, halb vom Schrank verdeckt, hängt ein Hellweger-Anzeiger-Kalender an der Wand. Am rechten Schrank, zur Wand hin, hängt ein Mantel (?), er dient also auch als Garderobe.

Ehepaar in Wohnküche 1930

Unsere Frage:

Wer kennt die abgebildeten Personen und weiß, wo sie gewohnt haben?

Die eingehenden Informationen werden natürlich dem Stadtarchiv Kamen übergeben und somit für die Nachwelt gesichert.

Klaus Holzer

Das Kriegsende in Kamen

von Klaus Holzer

Am 8. Mai 2015 jährt sich die Kapitulation Nazi-Deutschlands zum 70 Mal. Für Kamen war der Krieg aber schon einen Monat früher vorbei. Am 10. April 1945, um 13.10 Uhr, übergab der Kamener Journalist Otto Birkefeld die Stadt Kamen den Amerikanern, am 11. April begann für Kamen die Nachkriegszeit.

Birkefeld befand sich zu dem Zeitpunkt zusammen mit einem Polizeileutnant und zehn Mann im (alten) Rathaus. Bei ihnen befand sich noch eine Angestellte des Standesamtes, die immer wieder die Luftalarmsirene bediente. Als die Besatzung des Rathauses die amerikanischen Panzer, aus der Weißen Straße kommend, langsam auf den Markt vorrücken sah, wußte zuerst keiner, was nun zu tun war. Dann sagte der Polizeioffizier zu Birkefeld: „Sie sprechen doch Englisch. Gehen Sie mal dahin und sprechen Sie mit den Amerikanern.“ Die standen inzwischen relativ locker vor ihren Panzern und hatten sich Zigaretten angesteckt. Als Birkefeld das sah, steckte er sich seine Pfeife an und ging dann langsam auf die Eroberer zu. Sein spontaner Entschluß brach das Eis und rettete Kamen womöglich vor weiterer Zerstörung. Er übergab die Stadt bedingungslos an den Sieger.

Vorausgegangen waren schwere letzte Gefechte. Nach den verheerenden Luftangriffen von Ende Februar und dem absehbaren Ende, nämlich der Niederlage Nazi-Deutschlands, errichtete der Kamener Volkssturm dennoch an allen großen Einfallstraßen mächtige Panzersperren, am Bahnübergang in der Nähe des damaligen Cafés Schneider, bei Jackenkroll an der Hammer Straße und auch auf der Lünener Straße. Besetzt wurden diese Sperren von alten Volkssturmmännern und Hitlerjungen, die in Schnellkursen notdürftig im Gebrauch von Panzerfäusten unterrichtet worden waren.

Viele Kamener fanden noch Anfang April anonyme Flugblätter in ihren Briefkästen und Vorgärten, in denen Nazis denen Tod und Vergeltung androhten, die vor den anrückenden Feinden den „weißen Fetzen“ zum Fenster heraushängen würden. SS-Streifen rasten in ihren Autos durch die Straßen Kamens und suchten Fahnenflüchtige, mit denen sie im Trichter hinter der ehemaligen VfL-Turnhalle „kurzen Prozeß machten“, d.h., sie erschossen sie kurzerhand, ohne jedes Gerichtsurteil. Kriegstote mußten in der Morgendämmerung beerdigt werden, weil Tiefflieger während des Tages auf alles schossen, was sich bewegte.

Besonders schrecklich war der „Heerwurm“, der sich am Karfreitag von Lünen her durch Kamen bewegte, über die Koppelstraße und den Bahnübergang nach Heeren, 20000 Gefangene und Flüchtlinge. Sie waren total zerlumpt, heruntergekommen und ausgehungert, oft nur mit Lappen an den Füßen. Über dem Zug hing bedrückend der Geruch von Karbol und Desinfektionsmitteln. Eskortiert wurde der schnell so genannte „Russenzug“ von ein paar Dutzend klappriger deutscher Landesschützen, erinnert sich Otto Birkefeld später.

Als Kamen eingenommen war, wurden zuerst zwei Englischlehrerinnen des Gymnasiums, Maria Ahmer und Eleonore Friedrichs, als Dolmetscherinnen ins Rathaus zitiert. Der erste Stadtkommandant erwies sich als großzügig und weitherzig. Er ernannte umgehend ein kleines Ratsherrenkollegium, da an Wahlen nicht zu denken war. Valentin Schürhoff wurde nach der Besichtigung als Obmann von Grillo berufen. Gustav Adolf Berensmann mußte als kommissarischer Bürgermeister den Sonderauftrag umsetzen, alle ehemaligen Nazis unter dem Schiefen Turm zum Schippen und Füllen der Bombentrichter in Kamen einzubestellen, wo sie dann für jedermann sichtbar mit Hacke, Schaufel und Schubkarre malochen mußten.

Und es war viel zerstört worden: 125 Gebäude vollständig, 111 sehr schwer, 350 leicht. Der Schiefe Turm war demoliert, die Kirche Hl. Familie wies an der Ostseite ein großes Loch auf, Krankenhaus, Bahnhof, Altersheim, die Druckerei der „Kamener Zeitung“, die VfL-Turnhalle, das damalige Realgymnasium zu einem großen Teil und der Kindergarten der evangelischen Gemeinde. Und, schlimmer, es gab 245 Tote.

Kamen, wie ganz Deutschland, mußte ganz von vorn anfangen, neu aufgebaut werden. Die Narben kann man heute noch im Stadtbild erkennen.

Pauluskirche kriegsbeschädigtHl. Familie kriegsbeschädigt 3

Der schiefe Turm                           Hl. Familie

 

Für den Raum der Erinnerung:

Der KKK fragt, die Kamener antworten.

Die erste Frage:

Blindgänger

Wer weiß, wo und wann genau sich diese Szene abgespielt hat? Wer sind die beteiligten Männer?

Glocken der Kirche Hl. Familie – Der KKK als Vermittler erfolgreich

von Klaus Holzer

Im Sommer 2014 entdeckte der KKK auf dem Städtischen Bauhof in Kamen zwei alte Glocken, die dort abgestellt und offenbar vergessen worden waren. Es tat weh, zwei so schöne Glocken in so trostloser Umgebung zu sehen! Und auf dem Bauhof störten sie nur, nahmen Platz weg. Ein kurzer Blick auf die Inschrift zeigte sogleich, daß es sich um „katholische“ Glocken handeln mußte. Der Text war lateinisch und verwies auf Maria.

 

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Da niemand wußte, wo sie herkamen und wo sie hingehörten, tauchte ein KKKler in die Abteilung „Zeitungen“ des Stadtarchivs und wurde schnell fündig. Es handelte sich um zwei von ehemals drei Glocken der Kirche Hl. Familie, die 1987 aus dem Turm entfernt werden mußten, da ein Glockensachverständiger feine Risse im Korpus festgestellt hatte und niemand garantieren konnte, daß sie beim Läuten nicht herunterfallen würden. Es gab also ein sofortiges Läuteverbot. Der damalige Pfarrer Beule ignorierte dieses Verbot jedoch an Silvester 1987 und ließ die Glocken noch einmal kräftig über Kamen klingen, da er, zu Recht, annahm, daß sich zu der Zeit sowieso niemand unter dem Turm aufhalten würde.

Aber da eine Kirche ohne Geläut die Gläubigen nicht zum Gottesdienst rufen kann, wurden sogleich neue bestellt, die im Frühjahr 1988 in den Turm gehoben wurden.

Wieso bekam eigentlich eine Kirche, die erst im Herbst 1902 konsekriert worden war, schon 1922 neue Glocken? Die Erstausstattung konnte doch nicht schon schadhaft sein? Aber 1917 geschah der katholischen Kirche Hl. Familie genau das gleiche wie der evangelischen Pauluskirche: die alten Bronzeglocken mußten abgegeben werden, damit aus ihnen Munition für den Krieg gefertigt werden konnte. Und ebenso bekamen beide Kirchen 1922 neue Stahlglocken aus Apolda in Thüringen (wo es übrigens ein sehenswertes Glockenmuseum gibt!).

Und als die alten Glocken aus dem Turm entfernt wurden, sicherte sich die Stadt Kamen das Anrecht auf zwei von ihnen, stellte sie auf dem Bauhof ab mit dem Versprechen, innerhalb von acht Tagen einen neuen Aufstellort für sie zu finden. Aber aus den acht Tagen wurden 25 Jahre.

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Am Freitag, 23. Januar 2015, sind sie aber (fast) an ihren alten Ort zurückgekehrt. Am Weg zwischen dem Portal der Kirche Hl. Familie und dem Nordzugang zu ihrem Gelände, direkt neben dem Turm, hat die Kirchengemeinde etwas Gebüsch gerodet und zwei Stellflächen angelegt, auf denen die große und die kleine ehemalige Glocke nun ein neues Zuhause gefunden haben. Wohl auf Dauer. Und Kamen ist um eine Attraktion reicher. Wer kann schon richtige Glocken sehen und sogar anfassen?

KH