Das 17. Zeitzeichen des KKK: Helden Teil 2

Teil 2: Klaus Holzer – Reale Helden

Weniger klar umrissen als in der antiken Literatur ist das Bild des Helden in der heutigen Realität. Ganz nah beieinander liegen hier die Begriffe Held: positiv besetzt, aber unerreichbar; Vorbild: positiv besetzt, vom einzelnen erwählt, daher erreichbar; Idol: positiv besetzt, deutlich über dem Durchschnittsmenschen stehend, dennoch erreichbar.

Der Held ist eine herausragende Persönlichkeit mit einzigartigen Fähigkeiten, er braucht immer einen Widerpart, wagt sich auf terra incognita vor und trifft in der Regel eine ethische Grundentscheidung. Vorbild und Idol haben es einfacher: es gibt sie, sie existieren ohne weitere Bedingungen. 

Der antike Held zählt heute nicht mehr, weil es seine Art zu kämpfen in der digitalisierten Welt nicht mehr gibt (ferngelenkte Rakete statt Schwert), was früher terra incognita war, ist heute Touristenziel. Herausragende Leistungen gibt es auch heute noch, werden aber i.d.R. von Organisationen wir médecins sans frontières erbracht. Organisationen taugen aber nicht zu Helden, dort wird man Mitglied oder spendet. Helden sind immer Einzelpersonen.

Abb. 1: Kruzifix von Werner Habig

Sonderfall Jesus: Der klassische Held siegt oder geht im Kampf unter, das ist seine Entscheidung. Jesus siegt im Tod, weil dieser durch Gottvater vorbestimmt ist. Er hat keine Aktions-, sonder eine Passionsgeschichte. Aber weiß Jesus das? Kann er Vorbild sein? Oder kann man ihm nur folgen? An ihn glauben? Eine Glaubensfrage. 

Abb. 2: Max Planck

Natürlich gibt es auch in der Realität herausragende Leistungen einzelner. Beispiel Max Planck: überragender Wissenschaftler, trifft aber keine ethische Grundentscheidung, weil Wissenschaft ergebnisoffen ist. Als Held ungeeignet.

Ganz anders Nelson Mandela: trifft nach 27 Jahren Haft die ethische Grundentscheidung, zu versöhnen, statt Rache zu üben. Für viele ein Held.

Der Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime begründet das deutsche Sonderverhältnis zum Heldentum: erst in dieser besonderen Konstellation kann Heldentum entstehen. Mit den Problemen, die sich bei Wilhelm Tell zeigen: Darf ein Eid gebrochen werden (Wehrmachtsoffiziere)? Ist Mord (eines Tyrannen) zu rechtfertigen (Offiziere und Theologen)? Aus dieser Erfahrung heraus ist alles Militärische heute in der BRD geächtet (möglicherweise ist durch den Krieg Rußlands gegen die Ukraine etwas in Bewegung geraten), der Widerstand gegen die Nazis hingegen als identitätsstiftendes Ereignis für das neue Deutschland geeignet. 

Aus dieser Erfahrung des Zivilisationsbruchs heraus ist die Tendenz entstanden, Kriegerdenkmale zu entfernen, stattdessen Denk- bzw. Mahnmale für Opfer aufzustellen: verständlich im Falle des Holocaust-Mahnmals in Berlin, schwer verständlich im Falle der NSU-Opfer. Und worin besteht die „Leistung“ der Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten, die von einer deutschen Professorin zu Helden verklärt werden?

Abb. 3: Der Cenotaph in London 

Anders hingegen ist die Situation in GB, F und den USA, die zwar auch alle an historischen Lasten zu schleppen haben, aber dank ihrer ungebrochenen demokratischen Tradition mit sich und ihrer Militärgeschichte im reinen sind.

In unserer postheroischen Zeit gewinnt die Idee des Alltagshelden zunehmend an Bedeutung, vor allem bedingt durch Corona, als medizinisches Personal schier Übermenschliches leistete. Leider ließ Trittbrettfahrerei nicht lange auf sich warten, selbst normale Arbeit wird zu Heldentum aufpoliert. Doch wenn alles Heldentum ist, jeder Held sein kann, nach eigenem Willen – dann gibt es keine Helden mehr. Wenn sich früher jemand in einen Streit zugunsten des Unterlegenen einmischte, sollte er heute lieber 110 wählen.

Abb. 4: Helden absurd

Abb. 5: Helden banal

Aber offenbar gibt es nach wie vor das Verlangen, vielleicht sogar die Sehnsucht nach Heldentum, gerade weil der Alltag der meisten Menschen eher langweilig geworden ist, weil das Leben ohne Helden(tum), ohne Abenteuer, ärmer ist. Haben wir vielleicht Heldentum in den Freizeitbereich ausgelagert? Ins Kino (Mission Impossible), in Computerspiele (Lara Croft) und Fantasy-Epen (Herr der Ringe)? Werden in der Realität nicht auch längst besondere Herausforderungen gesucht? Bungeespringen, den Jacobsweg gehen (ca. 2000 km), im Dschungelcamp Ekelerregendes tun, den Mont Blanc besteigen usw., ganz im Sinne des neuen Verständnisses von Heldentum: JEKAMI. 

Und vielleicht gehören hierher auch die kranken Köpfe der Serienmörder, der Krankenpfleger, der seinen Patienten das falsche Mittel gibt, um sie dann aus Gefahr retten zu können, der Feuerwehrmann, der Brände legt, um als erster vor Ort retten und löschen zu können, Attentäter und Amokläufer, auf die die Augen der Öffentlichkeit gerichtet sind. Fühlen sich die Kriminellen, die Rettungssanitäter, Polizei und Feuerwehr angreifen, als Helden? Abenteurer? Die klassischen Helden sind verschwunden, Schurken wollen Helden sein bzw. spielen. Getreu dem Motto Andy Warhols: „In der Zukunft wird jeder weltberühmt sein – 15 Minuten lang.“  Sind sie alle Epigonen des antiken Herostratos, der den Tempel der Artemis abbrannte, um unsterblich zu werden? Aber berühmt zu sein, bedeutet nicht, ein Held zu sein. Heute hat vielleicht das Idol oder das Vorbild den Helden ersetzt.

Wenden wir es positiv: Wenn die Bürger eines Landes an die rechtsstaatliche oder demokratische Lösung von Konflikten gewöhnt sind, sind sie wohl weniger dazu bereit, zu den Waffen zu greifen. Helden alten Stils braucht es nicht mehr. Die Bürokratie übernimmt. Am Schreibtisch sitzen keine Helden. Daher ist der Alltagsheld so gefragt.

Abb. 6: Feuerwehr

Das Gute an Alltagshelden: Sie werden heute gebraucht, weil es offenbar großen Bedarf an, ja, was denn, „Helden“ vielleicht weniger, eher „Vorbildern“ gibt. Die Welt ist unübersichtlich geworden, Vorbilder geben Halt und Orientierung. Die historischen Helden taugen dafür nicht mehr, zu unterschiedlich sind die Lebensbedingungen geworden. Die alten Mittel der Krisenbewältigung sind unzulänglich geworden. In der Demokratie ist es nicht mehr leicht, den passenden Antipoden zu finden, an dem sich Heldentum entzünden kann. Demokratie ist das Muster der res publica, jeder ist Teil dieses Systems, kann also nicht mehr dagegen kämpfen. Und wenn er es dennoch tut, verabschiedet er sich aus dem System. Kann man dann noch Held sein?

Thesen:

Die Demokratie kennt und braucht keine Helden mehr, dafür umso mehr Idole.

Idole treffen keine ethische Grundentscheidung, werden erwählt, geben Orientierung.

Zusammengefaßt von Klaus Holzer

Das 17. Zeitzeichen des KKK: Helden

Teil 1: Dr. Heinrich-Wilhelm Drexhage – Fiktive Helden

Mit der Erfindung der Keilschrift beginnt die Zeit der schriftlichen Überlieferung und damit auch der Literatur. Die erste uns bekannte lange altbabylonische Erzählung ist die über Gilgamesch, den sagenhaften König von Uruk. Dieses Epos beschreibt seine außergewöhnlichen Taten und sein Suchen nach einem Wunderkraut, das ihm ewige Jugend bescheren soll. Als er es durch eigene Unachtsamkeit verliert, findet er sich mit seiner Sterblichkeit ab und reift als Persönlichkeit.

Abb. 1: Gilgamesch

Die Themen sind: Macht und Machtmißbrauch; Liebe und Freundschaft; Heldentum und menschliche Schwäche; das Verhältnis von Mensch und Gottheit.

Das umfänglichste und uns vertrauteste Heldenkapitel bietet uns das antike Griechenland, das vor allem in Homers Versepen auf uns gekommen ist. Den Hintergrund der Ilias bildet der Krieg um Troja, der Ausdruck eines für uns übersteigerten Ehrgefühls in einer aristokratischen Gesellschaft ist. Die Protagonisten dieses Epos sind Achill und Hector sowie Odysseus.

Abb. 2: Achilles (links)

Die homerischen Helden sind ausschließlich für eine adelige Gesellschaft gedacht; der Held ist tapfer in Krieg und Kampf; er verteidigt die Standesehre; sein Leben ist ein ständiger Wettbewerb; er hat immer den Willen zu siegen; seine Hauptbetätigungsfelder sind Kampf, Jagd und Sport; ständiges Streben nach Ruhm und Ehre, das mit den damals herrschenden Todesvorstellungen (Schattendasein im Hades) zusammenhing, daraus folgte seine Liebe zum Leben selbst noch im Angesicht des Todes. 

Abb. 3: Achill verabschiedet sich von Andromache

Im Wissen um die Macht des Schicksals geht der Held seinen vorbestimmten Weg ohne Wenn und Aber bis zum Ende. Speziell darin liegt seine menschliche Größe und Heldenhaftigkeit.

Abb. 4: Herakles erwürgt zwei Schlangen

Im antiken Griechenland ist Heracles/Herkules der unbesiegbare Held. Als er sich vor die Wahl zwischen Glückseligkeit und Tugend gestellt sieht, entscheidet er sich für die Tugend, im vollen Bewußtsein, daß er sich damit für ein Leben in Blut, Schweiß und Arbeit entscheidet: er muß 12 Aufgaben erledigen, um Griechenland von Untieren, Monstern, Räubern und Missetätern zu befreien. Alle ihm gestellten Aufgaben verlangen übermenschliche Kräfte.

Fazit: die Situation von „Herakles am Scheideweg“ wird typisch für den fiktiven wie auch den historisch-faßbaren Helden: er trifft eine ethische Grundentscheidung, die seine weitere Existenz prägt und bedingungslos durchgehalten wird.

Abb. 5: Sophokles

Die erste große Heldin der Literaturgeschichte tritt ebenfalls im antiken Griechenland auf, in Sophokles’ Tragödie „Antigone“. Kreon, der König von Theben, verbietet bei Androhung der Todesstrafe durch Einmauerung die Bestattung des Bruders von Antigone, welcher im Kampf um Theben als Angreifer gefallen ist. Antigone vollzieht gleichwohl die heiligen Bestattungsriten und wird von Kreon zum Tode verurteilt.
Fazit: Das Stück zeigt die Ambivalenz der menschlichen Natur: Antigone stellt das Humane dar, Kreon glaubt in seiner Hybris, sich darüber hinwegsetzen zu können. Antigone ist ethisch vollkommen, siegt daher über jede Form von Machtmißbrauch, Überheblichkeit, Uneinsichtigkeit und Charakterlosigkeit.

Ein weiteres Zeitalter, das voller Helden ist, ist das Mittelalter: König Artus und seine Ritter der Tafelrunde Tristan, Lancelot, Parsifal und Lohengrin; die Nibelungensage mit Siegfried von Xanten, Hagen von Tronje, Dietrich von Bern, König Gunter und edlen Frauen wie Kriemhild und Brünhilde; das Rolandslied, das den heldenhaften Kampf Rolands, eines Paladins Karls des Großen, gegen die Sarazenen besingt.

Abb. 6: Robin Hood

Wenn es um Bekanntheit geht, sind zwei Helden, der englische Robin Hood und der schweizerische Wilhelm Tell, wohl kaum zu schlagen, zu oft sind sie im Film (RH) und auf der Bühne (WT) dargestellt worden.

RH war ursprünglich ein brutaler Wegelagerer, gewalttätiger und grausamer Räuber und Dieb. Erst im 16. Jh. wird er zum folkloristischen Volkshelden, zum Wohltäter, der für soziale Gerechtigkeit kämpft und zum Nationalhelden wird:  Er raubt  Adelige und korrupte Kleriker aus und verteilt das Beutegut an die Armen (meist hörige Bauern).

Fazit: RH’s Bild wird den Auffassungen der jeweiligen Zeit und Gesellschaft und ihren Werten und Vorstellungen angepaßt.

Abb. 7: Wilhelm Tell

WT ist das Symbol für den Freiheitskampf eines unterdrückten Volkes, er kämpft für wahre Demokratie. Dabei gibt es zwei Probleme: Ist der Tyrannenmord zulässig (das wird später auch ein Problem für die Wehrmachtsoffiziere und Theologen im Widerstand gegen Hitler)? Fazit: Jede Epoche, jede Gesellschaft, mit welchem politischen Hintergrund auch immer, schafft sich ihre eigenen Helden und die Art ihrer Verehrung und manchmal auch deren Demontage.

Abb. 8: Karl May

Einen Sonderfall stellt Karl May dar. Seinen Helden gemeinsam sind: überdurchschnittliche Körperkräfte, überlegene Fitness, gepaart mit intellektuellen und detektivischen Fähigkeiten; „pazifistische“ Grundeinstellung: Gewalt und Tötung von Gegnern werden strikt auf Fälle von Notwehr und Nothilfe reduziert; Bekenntnis zu christlichen Werten (Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Effendi) bei allerdings recht hoher Toleranz gegenüber anderen Religionen; überaus starke Neugier im Hinblick auf fremde Sitten und Gebräuche.

Zusammenfassung und Ergebnis:

Jede Gesellschaft, jede Gesellschaftsform erfindet sich ihre eigenen Helden und paßt sie ihren jeweiligen gesellschaftlichen Gegebenheiten an. Daher können Helden i.S. unseres Themas „verehrt“, „verklärt“ oder im Extremfall sogar „verdammt“ werden und unterliegen nicht selten auch gewissen Abnutzungserscheinungen, weil sie dem jeweils herrschenden Zeitgeist nicht mehr entsprechen.
Bei aller Unterschiedlichkeit und Wandelbarkeit von Heldenbildern und Heldenverehrung existiert andererseits eine gemeinsame Klammer, die eine gewisse Typologie durchscheinen lässt, welche die verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte und damit auch der Literaturgeschichte bis heute überdauert.
Die wichtigsten Aspekte:
Abstammung: Helden entstammen häufig einer Verbindung von Gottheiten und Sterblichen (z.B. Gilgamesch, Achilles, Herakles) und agieren dementsprechend vor einem religiösen oder quasireligiösen Hintergrund.
Sie verfügen über besondere Fähigkeiten, die ein normaler Mensch nicht besitzt, wie eine ungewöhnliche Körperkraft und Ausdauer, eine vorausschauende Intelligenz sowie häufig eine traumwandlerische Sicherheit im Umgang mit den ihnen eigenen Waffen und oft ikonographisch zugeordneten Attributen (vgl. Gilgamesch, Herakles, Achilles, Odysseus, Siegfried, König Artus, Robin Hood, Wilhelm Tell, Old Shatterhand, Winnetou u.a.).
Sie bestehen waghalsige und kühne Abenteuer und bleiben häufig siegreich. Sie können aber auch tragisch enden, wobei ihr tragisches Ende allerdings auch einem Sieg gleichkommen kann (vgl. bes. Hector, Antigone).

Sie werden häufig zu Helden durch eine kämpferisch-ethische Grundentscheidung, welche ihre gesamte weitere Existenz bestimmt und sie ihren einmal eingeschlagenen Weg bedingungslos bis zum Ende gehen läßt (vgl. Herakles und Antigone in ihrer ethischen Vollkommenheit). Diese Grundentscheidung bewirkt einen besonderen Reifungsprozeß ihrer Persönlichkeit.
Sie haben stets mächtige Gegenspieler, denen sie mit äußerster Entschlossenheit, oft sogar mit Todesverachtung, manchmal aber auch mit List entgegentreten. Ein besonderer Gegenspieler kann jedoch auch die eigene menschliche Schwäche sein, durch deren Überwindung sie vom Antihelden zum letztlich bewundernswerten Helden werden.

Zusammengefaßt von Klaus Holzer

150 Jahre Bergbau in Kamen

von Klaus Holzer

150 Jahre Bergbau in Kamen

In Kamen erinnert man sich immer noch mit einiger Wehmut an seine Bergbaugeschichte. Immer noch beschwört man die Vergangenheit durch das Singen des Steigerliedes, das aus dem Erzgebirge eingewandert und so schnell heimisch geworden ist. Politikerreden enden immer noch mit dem Bergmannsgruß „Glück Auf“. Als letzte in der ganzen Stadt sichtbare Reminiszenz an die Kamener Zeche Monopol steht das Fördergerüst auf dem ehemaligen Zechengelände, heute Technopark mit Gründerzentrum, auch die Gartenstadt Sesekeaue gehört dazu. In Politikerreden und offiziellen Verlautbarungen ist der Bergbau heute noch lebendig, doch scheint niemand gemerkt zu haben, daß es in diesem April 2023 genau 150 Jahre her ist, daß der erste Spatenstich zur Teufe von Schacht Grillo 1 getan wurde.

Mit der Reichsgründung 1871 setzte in Deutschland ein rasantes wirtschaftliches Wachstum ein, das wesentlich auf der Dampfmaschine, zunehmend auch Elektrizität, neuen Verkehrsmitteln, Transportwegen und Kohle und Stahl beruhte. Vor allem bei der Kohle spielte Kamen früh und bedeutend mit. Friedrich Grillo aus Essen und Heinrich Grimberg aus Bochum erwarben hier ein riesiges Grubenfeld und begannen im April 1873 mit der Teufe des Schachtes Grillo I (die Bergkamener Schächte wurden nach Grimberg benannt). Am Vorabend des Teufbeginns sollen die beiden Unternehmer mit Champagner namens „Monopole“ auf gutes Gelingen angestoßen haben und fanden den Namen gleich passend für ihre erste Zeche.

Abb. 1: Die Abteufmannschaft (vermutlich)

Erfahrene Arbeiter aus dem Aachener Revier klotzten ran und schon zwei Jahre später standen der Schachtturm, die Maschinenhäuser, der hohe Schornstein und die Beamtenhäuser. 1878 begann der Kohleabbau in der Tiefe von 540 Metern. Schon im ersten Jahr förderten die 780 Bergleute 130.000 Tonnen Kohle, sehr viel,  weil Wagen mit einem gewissen Anteil von taubem Gestein zurückgewiesen und nicht gewertet und auch nicht bezahlt wurden (das „Nullen“). 1884 erhielt Monopol Anschluß an die Deutsche Reichsbahn, was den Absatz weiter beflügelte.

Bereits 1887 begannen die Arbeiten zur Teufe von Grillo II, 1888 wurde eine Kokerei in Betrieb genommen. Insgesamt gehörten 16 Grubenfelder in einem Gebiet von ca. 87 km2 zur Zeche Monopol. Wenig später begann auch die Teufe von Schacht Grimberg I in Bergkamen. Die beiden waren untertage miteinander verbunden.

Abb. 2: Monopol, ca. 1885

Da man schnell wuchs, waren Bergarbeiter in der Umgebung nicht mehr in ausreichendem Maße zu finden. Daher wurden Arbeiter angeworben, vor allem in Schlesien, Polen und Österreich. Die kamen in großer Zahl, versprach der Bergbau doch guten Lohn.

Durch diesen starken Zuzug von Nicht-Einheimischen setzte eine strukturelle Veränderung der Stadt und der umliegenden Dörfer ein. Bis dahin herrschten vor allem kleinstädtische und dörfliche Strukturen vor, mit jeweils ausgeprägtem Anteil an Handwerksbetrieben. In den innerstädtischen Fachwerkhäusern, den für ein Ackerbürgerstädtchen typischen Häusern, wohnten nun immer mehr Bergleute, aber nicht im Eigentum, sondern zur Miete. Die Einwohnerzahl Kamens sprang von etwa 3.700 im Jahre 1870 auf ca. 10.000 im Jahre 1902.

Abb. 3: Monopol, nach 1942; im Vordergrund das Klärwerk

Daß eine so rapide Entwicklung zu sozialen Verwerfungen führte, ist verständlich, denn es mußte die vorhandene Infrastruktur an die neue Größenordnung angepaßt werden. Das bedeutete zuallererst, daß eine große Zahl an Wohnungen benötigt wurde. Die bis dahin von den Kamenern zur Verfügung gestellten Quartiere reichten nicht mehr, waren wohl oft auch sehr schlecht.

Daraufhin begannen die Gewerkschaften, so nannten sich die Unternehmen, eigene Wohnungen zu bauen, sogenannte Kolonien, die in der Regel in unmittelbarer Nachbarschaft der Zechen lagen. Dadurch verschwanden in den 1890er Jahren ehemalige Burgmannshöfe: der Vogelhof (heute Kamen Quadrat), der Galenhof (heute Musikschule), der Rungenhof (heute Gymnasium).

Abb. 4: Häuser für die Kumpels am Galenhof

Diese Kolonien führten aber zur Abkapselung der dort Wohnenden von der Alt-Bevölkerung. Und diese blieb über eine ganze Generation hinweg erhalten, wenn es zu landsmannschaftlichen Ansiedelungen kam. Aus politischen und kulturellen Unterschieden resultierten wesentliche Spannungen, die sicherlich auch ausländerfeindliche Züge annahmen. Wie das immer der Fall ist, wenn Fremde in eine festgefügte Gemeinschaft kommen.

In den Jahren 1920/21 begann die Gelsenkirchener Bergwerks AG, die inzwischen die Mehrheit der Kluxen (Anteile) besaß, erstmals damit, auf ihrem direkt an der Schachtanlage liegenden Gelände in der Westenfeldmark der Stadt Kamen für die Bergarbeiter der Zeche Monopol (Grillo-Schächte) eine Wohnsiedlung zu errichten. Sie wurde offiziell „Hindenburgsiedlung“ genannt, erhielt jedoch bald den Namen „Negerdorf“, da die Bergleute nach ihrer Arbeit ungewaschen, d.h., „schwarz wie Neger“, nach Hause kamen.

Ende der 1950er Jahre ließ die erste Kohlekrise hohe Kohlehalden, verschämt „Nationale Kohlereserve“ genannt, entstehen, es brauchte ein neues Konzept zur Erhaltung der Zechen. Es wurde die Ruhrkohle AG (RAG) gegründet, die alle Ruhrgebietszechen in ihrem Besitz bündelte. In den 60er Jahren stieg der Kohleabsatz wieder, und die ersten türkischen Bergarbeiter wurden für diese Arbeit angeheuert. Dennoch drohte Monopol 1973 nach Teilschließung der Tagesanlagen die komplette Schließung. Es kam zum Kampf um den Erhalt der Zeche. Doch das Ende kam 1983, 110 Jahre nach der Abteufung des ersten Schachtes, unwiderruflich. Monopol wanderte nordwärts und wurde als Neu-Monopol in Bergkamen noch ein paar Jahre fortgeführt.

So wie das Erscheinen der Kohle einst einen tiefen Strukturwandel bewirkte, so ist es auch mit ihrem Verschwinden. Die Digitalisierung von immer mehr Bereichen der Wirtschaft eröffnet neue Möglichkeiten, für die keine Kohle mehr gebraucht wird. Kohle ist heute nicht mehr die wirtschaftliche Verheißung, sondern der Klimakiller. Und die einstmals blühenden Knappenvereine sterben langsam dahin, weil es keinen bergmännischen Nachwuchs mehr gibt.

Glück Auf.

KH

Alle Abbildungen: Stadtarchiv