Flurnamen: Geist/Geest

von Klaus Holzer


Abb. 1: Straßenschild Am Geist
Eigentlich bedeutet „Geist/Geest“ das „hohe, trockene, meist sandige und daher wenig fruchtbare Land“ (die Lüneburger Heide ist wohl die bekannteste Geestlandschaft Deutschlands), im Gegensatz zur Marsch, die in Kamen umgangssprachlich immer „Mersch“ hieß, Im Mersch, also männlichen Geschlechts war. Diese Flurbezeichnung war ursprünglich vor allem im Küstenbereich der Nordsee geläufig. Bei uns in Westfalen bezieht sich diese Flurbezeichnung ebenfalls auf höher gelegenes, wenig fruchtbares Land, was auf Kamen bezogen durchaus plausibel erscheint, war unsere Stadt doch von weitem Heideland umgeben: im Norden ein 55 qkm großes Heidegebiet (heute noch gibt es die Kamer Heide in Overberge), im Süden die Uelzener Heide u.a. In Overberge gab es beim Orts-Grenzdurchgang am Geistbaum die Flur Geisthoff; auf Kamener Gebiet nannte man einen Teil dieses Brinks (oft der Abhang eines Grashügels, hügeliges Stück Grasland, Randbereich einer Siedlung) Auf den Geistgärten. Auch Geestäcker werden erwähnt.

Abb. 2: Straßenschild Mersch
Als weiterer Beleg für diese mögliche Deutung des Flur- und Straßennamens mag gelten, daß es gleich hinter der Seseke, im südöstlich Bereich des Stadtgebiets, eine Straße namens „Mersch“, früher „In der Mersch“ (weiblichen grammatischen Geschlechts!), gibt, eine Bezeichnung, die immer eine Niederung bedeutet, die regelmäßig vom Meer oder einem Fluß überschwemmt wird, was die Seseke ja regelmäßig tat. Marsch oder Mersch kommt aus germ. *mariska = zum Meer (Wasser) gehörig (vgl.a. lat. mare = das Meer), schon germanisch als Sumpf, Morast, Binnensee bekannt. In der Regel war es eine Weide oder Wiese am Wasser, von Zeit zu Zeit überflutet.
Die kurze Straße, die vom ersten Kamener Kreuz (Kreuzung Ost-, Nord- und Weststraße) nach Süden führt, heißt Am Geist und liegt tatsächlich etwas höher als die anderen Flächen im Kamener Stadtgebiet. So könnte „Geist“ also durchaus von „Geest“ herrühren, allerdings gibt es bisher keinen Beleg dafür, daß die Flurbeschaffenheit tatsächlich für die Namengebung ursächlich ist.

Abb. 3: Hl.-Geist-Spital1
Daher kommt hier eine zweite Deutungsmöglichkeit in Frage, die viel für sich hat, die Herleitung aus Heilig-Geist-Spital, wenn man bedenkt, wie wichtig dieses für Kamen war. Vor 1359 gegründet, war es das erste und jahrhundertelang einzige Armen– und Siechenhaus der Stadt. Arm und krank, das gehörte offenbar nicht nur im Mittelalter zusammen, war aber vor Einführung des Sozialstaats immer mit einem elenden Leben verbunden. Nach 1648, nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs, wurde es nicht mehr genutzt und verfiel vollständig. Erst 1717 wurden die Trümmerreste entfernt. Schon 1662 war das neue Hospital daneben erbaut, 1865 gründlich renoviert worden. Das stand dann bis in die 1930er Jahre, als es baufällig war und dem Möbelhaus Reimer Platz machen mußte. Später war Mrs Sporty darin, jetzt steht es seit langer Zeit leer.

Abb.: Abb. 1 & 2: Photo Klaus Holzer; Abb. 3: Stadtarchiv Kamen

1 Die Aufnahme stammt aus den 1930er Jahren, wie die Hakenkreuzfahnen belegen. Man beachte auch die hier noch vorhandenen Abwasserrinnen am Straßenrand, in die auch die Abflüsse aus den Häusern mündeten. Das Spital stand auf der Ecke Ost- und Nordstraße. Spoäter stand das Möbelhaus Reimer an dieser Stelle. Weitere Nachnutzungen: u.a. ein Gartenmöbelhaus und Mrs Sporty.

Quellen: Gunter Müller, Westfälischer Flurnamenatlas; Lieferung 1-5; Im Auftrag der Kommission für Mundart- und Namenforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte. Alle fünf Bände sind im Stadtarchiv Kamen vorhanden; zur wissenschaftlichen Vertiefung geeignet.
Friedrich Pröbsting, Geschichte der Stadt Camen und der Kirchspielsgemeinden von Camen, Hamm 1901
Gisbert Strootdrees, Im Anfang war die Woort, Flurnamen in Westfalen, Bielefeld 2017

KH